Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
studieren – zwischen dem Geländelauf und der ersten kalten Dusche«, entgegnete Daphne. »Also gut, mit unseren Kindern passiert etwas, und wir fühlen uns verantwortlich. Mütter sind so programmiert. Oder konditioniert – lassen wir die Grundsatzdebatte mal beiseite.«
    »Das weiß ich. Aber dieses Wissen ist machtlos gegen die Gefühle – ganz zu schweigen von dem Schock über die Heftigkeit dieser Gefühle. Egal, warum ich es getan habe, ich kann einfach nicht fassen, daß ich diese Leute tatsächlich angegriffen habe.«
    »Ach, komm schon«, sagte Daphne mit der Gelassenheit eines Menschen, der weder körperliche Züchtigung noch die Todesstrafe ablehnt. »Das haben die doch provoziert. Gott weiß, was sie mit dir vorhatten, und wenn sie gefaßt werden, dann kommen sie wahrscheinlich mit einer Strafarbeit von hundert Zeilen auf Bewährung davon. Aber wenn der Typ dich von der Anklagebank aus angrinst, dann kannst du dir wenigstens sagen: Ich habe dir ein Andenken hinterlassen, Kumpel!«
    Ellie lachte und füllte die Gläser ein zweites Mal. Es war keine schlechte Idee des verrückten Wissenschaftlers gewesen, Daphne ausgerechnet heute vormittag vorbeizuschicken. In dem Moment, als Ellie Daphne erblickte, wurde ihr klar, daß sie unter allen Freundinnen die richtige für diese Situation war. Mit Daphne konnte sie ernste Themen bereden, ohne schwermütig zu werden, und ihre völlig andersartige Weltsicht lieferte ihr anregende, wenn auch gelegentlich ärgerliche Denkanstöße.
    Sie tranken, und Daphne fragte: »Wie geht’s Rosie? Hat sie von der ganzen Aufregung etwas mitbekommen?«
    »Wir haben versucht, es ihr zu verheimlichen, aber man weiß nie, wie viel Kinder mitkriegen. Am liebsten hätte ich sie heute nicht zur Schule geschickt, aber das hätte nur ihre Vermutung bestätigt, daß etwas im Busch ist. Jedenfalls fangen morgen die Ferien an, und sie war so wild darauf, nach ihrer Krankheit wieder in die Schule zu gehen, daß es ihr das Herz gebrochen hätte, den Spaß am letzten Schultag zu verpassen.«
    »Kinderherzen sind aus dem stabilsten Material, das der Menschheit bekannt ist«, meinte Daphne mit der Überzeugung einer zweifachen Mutter. »Vor allem Mädchenherzen. Ich erinnere mich, daß mir meines fast täglich gebrochen ist, aber ich habe es irgendwie überlebt – auch ohne die Hilfe von Dr. Christian Barnard. Ich wette, dir ist es ähnlich ergangen.«
    »Vielleicht. Aber ich habe in Rosies Alter auch nicht meine beste Freundin verloren«, meinte Ellie.
    Zwei Mädchen hatten sich die Hirnhautentzündung eingefangen. Eins davon, Rosies Klassenkameradin und Freundin, war daran gestorben.
    Daphne verzog das Gesicht. »Tut mir leid, das hatte ich vergessen. Es ist schon komisch, über den Kummer eines Kindes macht man sich nicht viel Gedanken, wenn man ihn nicht selbst erlebt hat … aber sie war ganz erpicht darauf, wieder in ihre Schule zu gehen, sagst du? Ich hätte gedacht …«
    »Ich auch. Wir haben natürlich über Zandra gesprochen. Das heißt, ich rede, und Rosie hört zu. Sie sagt dazu nicht viel, nur der Nix hätte sie geholt. Erinnerst du dich an den Nix? Der Wasserkobold in ihrem heißgeliebten Buch, dessen Lieblingsbeschäftigung es war, kleine Mädchen zu entführen? Die Schulpsychologin, die stottert und aussieht wie fünfzehn, meinte, ich sollte mir deshalb keine Sorgen machen, sondern mich freuen, daß Rosie eine Methode gefunden hat, mit dem Verlust fertigzuwerden. ›Sie meinen, sie verdrängt es?‹ frage ich. ›Nein, sie wird damit fertig‹, erklärt die jugendliche Jugendexpertin im Brustton der Überzeugung. ›Sie wird reden, wenn sie reden will. Bleiben Sie einfach offen. Sorgen Sie dafür, daß alles wieder seinen geregelten Gang geht wie vorher. Gewohnte Dinge sind nicht nur eine Erleichterung, sie sind lebenswichtig.‹ Lieber Himmel, wahrscheinlich hat sie ihre Diplomarbeit über
Das kleine Buch vom Psychogelaber
geschrieben!«
    »Das hast du aber nicht gesagt, oder?«
    Ellie lachte. »Nein. Ich werde langsam umgänglich. Und als ich heimgekommen bin, habe ich sogar
Nina und der Nix
aus dem Versteck geholt, dann habe ich bei einem Drink in aller Ruhe überlegt und es wieder weggepackt. Mit anderen Worten, ich habe keine Ahnung, wie ich mit der Situation fertigwerden soll. Also habe ich beschlossen, den Dingen ihren Lauf zu lassen, und als Rosie wieder zur Schule wollte, habe ich gesagt, okay, warum nicht?«
    »Das klingt vernünftig.«
    »Ja, nur daß ich

Weitere Kostenlose Bücher