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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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mich frage, ob ich auf die Weise den Wahnsinn abstellen wollte, daß ich mich von einer ehrlichen modernen Laissez-faire-Mutter zu einer verhätschelnden, überängstlichen, allgegenwärtigen Erdmutter entwikkelt hatte. Okay. Das brauche ich nicht zu erwähnen. Das bin ich durch und durch. Egozentrisch. Alles fällt auf mich zurück.«
    »Du sagst es. Aber in all dem steckt auch der Schmerz und die Sorge, also züchtige dich nicht mit Stachelpeitschen.«
    »Du meine Güte, heute morgen sind wir ja hochliterarisch. Schon wieder
Othello?«
    »Die Bibel. Mein Vater war schließlich Archidiakon, weißt du das nicht mehr? Also brauchst du dich dadurch kaum bedroht zu fühlen.«
    Daphne ist genauso gut im Austeilen wie im Einstecken, dachte Ellie, und das war einer der Gründe, warum sie sie mochte.
    Laut sagte sie: »Magst du nicht zum Essen bleiben? Ich würde wirklich gern weiterreden. Wir könnten auch ausgehen und im Pub ein Sandwich essen.«
    »Tut mir leid, ich bin unterwegs zum Mossy Bank Gartencenter, ob du’s glaubst oder nicht. Es liegt jenseits der Umgehungsstraße, und weil ich so nah vorbeikam, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, zu fragen, wie’s dir geht. Patrick und ich treffen uns dort im Restaurant zum Essen. Gott steh uns bei. Er hat sie über Rosen beraten, und ich glaube, er denkt, der Anblick seiner noblen Gattin wird sie auf seine stattliche Rechnung vorbereiten. Ich hätte ja vorgeschlagen, daß du mitkommst, nur würde dein Rettet-die-Torfmoore-T-Shirt wahrscheinlich keinen günstigen Eindruck machen. Heute abend hätte ich aber Zeit für einen Drink.«
    »Mist. Da kommt meine Liberata-Gruppe zu mir.«
    »Was ist das – Plastikschüsseln oder erotische Unterwäsche?«
    »Weder noch. Liberata Trust’s ist eine Menschenrechtsorganisation, eine Art Amnesty International mit feministischer Ausrichtung … oh, ha, ha.«
    Daphnes Gesicht verriet ihr, daß ihre Freundin sie nicht ganz ernst nahm.
    »Gut, wenn du lieber die Welt rettest, als mit deiner Freundin einen trinken zu gehen …«
    »Ja, ja. Die Wahrheit ist, daß die Welt in den letzten Monaten ohne mich zurechtkommen mußte. Ich hatte Schuldgefühle – ja, ich weiß, ich fange schon wieder an –, und als mich Feenie wegen des nächsten Treffens anrief, sagte ich, machen wir’s doch hier.«
    »Feenie? Meinst du etwa Serafina Macallum, die verrückte Stadtstreicherin?«
    »Stimmt. Gründerin, Vorsitzende und treibende Kraft. Woher in aller Welt kennst du sie denn?«
    »Sie hat uns die Hütte verkauft. Das heißt, ihr Anwalt. Sie selbst haben wir bei den Verkaufsverhandlungen nie kennengelernt, aber sie hätte mich schon ein paarmal um ein Haar überfahren, entweder mit ihrem schrottreifen Landrover oder auf ihrem Uraltfahrrad. Glaubst du, sie hat was gegen mich?«
    Ellie verschwieg ihrer Freundin, daß sie damit vermutlich gar nicht so falsch lag. Sie wußte, daß Feenie Macallum die Zerstückelung ihres Familienbesitzes nicht wegen des Verlusts an sich schmerzte, sondern wegen der Leute, an die sie ihre Immobilien verkaufen mußte.
    Daß Ellie über das Cottage, das die Aldermanns vor ein paar Jahren erworben hatten, so wenig wußte, lag an der spontanen Mißbilligung, die sie empfunden hatte, als Daphne ihr damals davon erzählte.
    »Patrick findet es wunderbar, wenn die Kinder und ihre Freunde ihren Spaß haben, aber er dreht durch, wenn sie den Garten als Fußballplatz oder Badmintonfeld nutzen. Also habe ich gesagt: Warum kaufen wir nicht ein Stück ursprüngliche Natur, das sie nach Herzenslust ruinieren dürfen?«, hatte Daphne erklärt.
    Und Ellie hatte die sarkastische Bemerkung nicht unterdrücken können, es sei wohl kaum eine angemessene Lösung für Patricks Sorge um seine kostbaren Rosen, wenn sie den Preis für Landhäuser so in die Höhe trieben, daß sie für Eltern anderer Kinder unerschwinglich wurden.
    Danach hatten sie kaum noch über das Cottage gesprochen, und wenn doch, war es Ellie immer ein Rätsel gewesen, ob die Bezeichnung
die Hütte,
deren sich Daphne hartnäckig bediente, ein diplomatisches Understatement oder eine provozierende Litotes war. Auch war sie sich nicht ganz darüber im klaren, ob ihre eigene Haltung wirklich auf sozialer Empörung beruhte oder ob sich hier nur der Neid der Besitzlosen zeigte.
    Jetzt wünschte sie, sie hätte das Cottage weder geographisch noch im Gespräch zum Tabuthema gemacht, denn die Gewißheit, daß Feenie Macallum die Käufer ausgenommen hatte wie

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