Das Haus an der Klippe
kolumbianischen Szene kämpft, bemüht sich folglich darum, anderswo ins Geschäft zu kommen. Er hat einen Kontaktmann in Europa, einen Vermittler, der den Deal mit Popeye einfädelt.
Aber selbst so fern der Heimat hat es Chiquillo nicht leicht.
Um unbehelligt in Großbritannien einzureisen, das Geschäft gefahrlos abzuschließen und die Lieferung dann wohlbehalten nach Südamerika zu transportieren, braucht er Verbündete, die stark genug sind, um sich über Farc, ELN , die Drogenbarone und selbst die gewählte Regierung hinwegzusetzen.
Also wendet er sich an
Los Cojos,
das heißt El
Consejo Jurídico,
den nationalen Sicherheitsdienst, der so geheim operiert, daß die offizielle Geheimpolizei daneben wie dein Freund und Helfer wirkt. Ihr
jefe supremo
Oberst Gonzalo Solis (der bei einem Bombenanschlag 1981 einen Fuß verlor, daher sein Spitzname
cojo,
der Lahme) weiß, wo die Leichen liegen – was nicht weiter verwunderlich ist, weil er viele davon selbst begraben hat. Die kolumbianischen Politiker müssen wirklich äußerst wendig sein, um die widersprüchlichen Forderungen ihrer rasch wechselnden Verbündeten – die Guerillerogruppen, die Drogenbarone, die Vereinten Nationen und ihre eigene Wählerschaft – zu erfüllen, und im Lauf der Jahre hat sich El Cojo als der wichtigste Mann herauskristallisiert. Er ist der einzige, der über genügend Macht verfügt, um das Geschäft abzusegnen, doch auch er zögert, die lockere Anti- PAL -Allianz zwischen Nord- und Südamerika zu untergraben.
Aber als ihm schließlich eine Provision in der beliebtesten kolumbianischen Währung – pures Kokain – angeboten wird, und zwar in der Höhe des Betrags, den Popeye für seine Waffen verlangt, kann er nicht nein sagen.
Das PAL -Embargo in der Heimat, so beschließt er, gilt nicht für Geschäfte in Europa.
Und allen großen und kleinen Tieren, die seine Entscheidung mißbilligen könnten, versichert er vertraulich, es bestünde keine Gefahr, daß PAL wieder an Einfluß gewinnt. Ganz im Gegenteil. Chiquillo muß persönlich erscheinen, um das Geschäft abzuschließen, denn El Cojo gewährt nur dem Guerillaführer selbst freies Geleit, nicht aber seinem Vermittler. Und sobald das Geschäft unter Dach und Fach ist, tritt Jorge Casaravilla in Aktion, der Chef von El Cojos Europaabteilung, der so skrupellos und brutal ist, daß ihm der Oberst lieber ein Einsatzgebiet jenseits des großen Teichs zugewiesen hat. Er hat den Auftrag, ausnahmslos alle Beteiligten hochzunehmen, ohne Rücksicht auf Verluste.
Chiquillo nimmt die Bedingungen an und leistet seine Zahlung an El Cojo. Sein Vermittler trifft letzte Vorkehrungen, und schließlich trifft Chiquillo auf Wegen, die sich selbst Gaws Kenntnis entziehen, in Großbritannien ein und begibt sich mit seinen beiden Begleitern, die ihm Cojo mitgegeben hat, zum Treffpunkt im Kielder Forest.
Jeder, der mit Popeye Ducannons bisheriger Laufbahn vertraut ist, hätte vorhersagen können, was als nächstes geschehen würde.
Chaos, Katastrophe, Leichen, Blut auf dem Waldboden.
Und wie immer tritt Popeye, sobald sich der Rauch verzogen hat, aus dem Wald und trägt nichts Schlimmeres davon als ein paar Fleischwunden, eine Schramme seitlich am Schädel und arges Kopfweh.
All das und noch mehr berichtet er seinem einzigen überlebenden Weggefährten Jimmy Amis, bekannt als Amity James, weil er so eine nette Art hat, einem die Kniescheiben wegzublasen.
All das und noch mehr erzählt uns schließlich Amity, als wir ihn schnappen, ihm einige auf verschiedene Namen lautende Kreditkarten aus den Taschen schütteln und darauf hinweisen, daß er, auch wenn er nach dem Karfreitagsabkommen von 1998 auf freien Fuß gesetzt wurde, immer noch an Recht und Gesetz gebunden ist.
Unter anderem teilt er uns mit, Popeye habe gehört, wie Chiquillo, der zweite Überlebende, auf seinem Handy irgendwelche Leute informierte, er werde sie in zwei bis drei Stunden an einem Ort namens KP treffen.
Wenn er es denn geschafft hat. Denn laut Popeye war Chiquillo im Schlachtengetümmel verwundet worden.
Und was für Popeye noch wichtiger war, er hatte sowohl die Waffen als auch die Tasche voll Kokain mitgenommen, die als Bezahlung gedacht war.
Da Popeye sein Leben lang in einer zwielichtigen Welt des Betrugs und der Intrigen agiert hatte, hält er sich nicht lange mit dem Warum und Wozu auf. Er will nur eins: seine Rente zurückhaben. Der einzige Hinweis, den er in der Hand hat, ist das, was er über Chiquillos
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