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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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aus?«
    Wenigstens hatte er es als Frage formuliert.
    »Sergeant, ich habe für heute abend schon Pläne«, sagte sie, »und wenn ich die umschmeiße, gehen Herzen zu Bruch. Bis acht hätte ich Zeit, wenn dir das was nützt.«
    »Das wäre großartig, danke«, hatte er erwidert.
    Dankbar war er also auch, immerhin. Aber konnte man ihm trauen? Sie hatte für halb neun eine Verabredung mit einem neuen Freund in einem neuen Club, und in beide setzte sie höchste Erwartungen. Eine halbe Stunde war ein bißchen knapp, um heimzufahren und sich umzuziehen, selbst wenn ihre Ablösung pünktlich auftauchte. Und weil sie hier nicht den Blicken der Neandertaler von der Wache ausgesetzt sein würde, war sie in Partykleidung zum Dienst erschienen.
    Insgeheim hielt sie es für völlig übertrieben, das Haus der Pascoes noch länger zu beobachten. Der Ganove, wahrscheinlich identisch mit diesem Roote, würde wohl kaum ein drittes Mal hier aufkreuzen. Sie hatte seine Akte ausgegraben und den Eindruck gewonnen, daß er ein Verrückter war. Damals war Pascoe noch Sergeant und unverheiratet gewesen, und die Pascoe hatte an einem College unterrichtet, dessen Rektor eins über den Schädel bekommen hatte. Roote hatte offenbar wohl Pascoe als auch den Dicken tätlich angegriffen und letzterem eine Flasche Scotch auf den Kopf gedonnert. Was bewies, daß auch die schlechtesten Menschen ihre guten Seiten haben! Also, locht ihn ein und laßt alle paar Stunden einen Streifenwagen an der
maison Pascoe
vorbeischleichen!
    Aber Überstunden waren Überstunden. Sie drehte Radio One auf volle Lautstärke, lehnte sich zurück und hing ihren Tagträumen von dem muskulösen jungen Mann nach, den sie heute abend treffen würde.
    Dann, kurz vor sieben, sah sie die Stadtstreicherin.
    Sie hatte ein Fahrrad, aber zweifellos war sie eine Stadtstreicherin. Vom Lenker baumelten drei Plastiktüten, und weitere zwei hingen am Gepäckträger. Die Frau selbst war jenseits der Siebzig, vielleicht auch jenseits der Achtzig, hatte ein rundes, ledriges Gesicht, das an einen schlecht aufgepumpten Fußball erinnerte, und schüttere weiße Haare, die unter einem zerfledderten Strohhut hervorlugten, der offenbar schon einmal als Pferdefutter hergehalten hatte. Ihr fülliger Körper war von mehreren Kleiderschichten bedeckt, die nur ein Archäologe hätte datieren können. Das Fahrrad war mindestens so alt wie die Fahrerin, wenn nicht älter, und der abblätternde khakifarbene Lack ließ darauf schließen, daß es bereits während des Ersten Weltkriegs im Einsatz gewesen war.
    Novello beobachtete erheitert, wie sich die Frau auf dem quietschenden Gefährt näherte, registrierte dann mit erhöhter Aufmerksamkeit, wie es zum Stehen kam, und stellte schließlich beunruhigt fest, daß die Fahrerin abstieg und auf das Gartentor der Pascoes zuschritt.
    Es war nicht leicht, mit Anstand aus diesem Auto auszusteigen, aber dank Übung schaffte Novello es sogar ziemlich flott. Die Frau sah sie kommen und blieb im offenen Tor stehen. Da wurde Novello klar, daß sie, falls eine oder alle Tüten Schußwaffen enthielten, eine nicht zu verfehlende Zielscheibe abgab. Eine niedrige Gartenmauer zu ihrer Rechten war die einzige Deckung, und sie machte eine Bewegung in diese Richtung, als die alte Dame in eine ihrer Tüten griff. Aber sie zog nur eine große Lupe heraus, die sie ans Auge hob, um die sich nähernde Polizistin zu begutachten.
    »Entschuldigen Sie, Madam«, begann Novello und zog ihren Dienstausweis hervor. »Detective Constable Novello, Criminal Investigation Department. Wären Sie so freundlich, mir zu sagen, wer Sie sind und was Sie hier machen?«
    »Wenn Sie Schwierigkeiten haben, sich diese Fragen selbst zu beantworten, dann haben Sie sich vielleicht den falschen Beruf ausgesucht, junge Frau«, erwiderte die Alte mit einer volltönenden Stimme, wie sie Novello bisher allenfalls bei Fernsehinterviews mit Uraltschauspielerinnen vernommen hatte.
    Wahrscheinlich entpuppt sie sich als Pascoes Oma, überlegte Novello. »Bitte, Madam, seien Sie so freundlich, mir die Frage zu beantworten.«
    »Na schön. Ich bin Serafina Macallum, Begründerin und derzeitige Vorsitzende von Liberata Trust, und ich bin hier, um einer Versammlung unserer Ortsgruppe beizuwohnen, genauer gesagt, um sie zu leiten. Fürs Protokoll, denn ich nehme an, unser Gespräch wird aufgezeichnet, obwohl ich mir eigentlich nicht vorstellen kann, wie die dafür notwendigen Gerätschaften in einem Negligé wie dem

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