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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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meinen?«
    Der Grieche runzelte die Stirn, als würde er angestrengt überlegen.
    »Jetzt, wo du es sagst, dämmert mir was. Ja, ich glaube wohl, daß in der Taverne schon mal einer davon gesprochen hat. Ging es nicht um so ein Flittchen? Ja, jetzt erinnere ich mich. Wir konnten es nicht glauben. Ich meine, Krieg um Land oder Fisch oder Vieh, das kann ich begreifen. Aber erwachsene Männer, die wegen einem entlaufenen Flittchen in den Krieg ziehen, das ist ziemlich bekloppt. Ihr wollt mir doch nicht weismachen, daß es stimmt, oder? Zum Hades, ich glaube doch. Die Menschen sind schon seltsam. Also dieser Krieg, wer hat ihn gewonnen?«
    Fürst Äneas musterte ihn spöttisch.
    »Deine Landsleute. Nicht durch Waffengewalt, da waren wir ihnen ebenbürtig. Nicht durch edle Taten oder Gesinnung, da waren wir ihnen überlegen, sondern durch schmähliche List und viehische Schläue, denn da waren sie uns über. Und ein Mann vor allen anderen erwies sich als Meister der Lüge, der Täuschung und des Betrugs. Die arglistige Schlange Odysseus.«
    Odysseus, der feiste, unredliche Geschäftemacher Odysseus, stets eine gewandte Lüge auf den Lippen, oftmals komplizierter, als nötig gewesen wäre, um plausibel zu bleiben, aus reiner Freude am Erfinden. Wenigstens wurde er nicht von hochtrabendem Pflichtgefühl oder Schicksalsglauben getrieben. Was ihn letztlich bewog, ein Leben endloser Glückseligkeit auf Kalypsos Zauberinsel aufzugeben, war nur seine untilgbare Sehnsucht, zu Frau und Familie heimzukehren.
    Sie und Peter waren auf ihre Art wie der edle Äneas gewesen. Erst als Rosie mit dem Tod rang, hatten ihre Schiffe zusammengefunden. Was angesichts der Wechselhaftigkeit von Zeit und Gezeiten nicht hieß, daß sie in alle Ewigkeit gemeinsam segeln würden, aber jetzt wußten beide aus unmittelbarer Erfahrung, was vorher nur eine hehre Vermutung gewesen war: daß sie, ganz gleich, was für stürmische Gewässer sie zu trennen schienen, zusammengehörten wie die Rümpfe eines Katamarans.
    Lieber Himmel, ziemlich viele nautische Metaphern für jemanden, dessen längste Seereise die Fahrt auf einer alten Fähre nach Skye gewesen war!
    Wo war ich stehengeblieben?
    Ach ja. Odysseus.
    Als der Name fiel, entrang sich den Männern ein haß- und schmerzerfülltes Stöhnen, und sie ließen wütend ihre Waffen klirren.
    Der Fremde, der mit der Miene eines Kindes lauschte, das einer spannenden Erwachsenengeschichte zuhört, die es nur halb versteht, schüttelte den Kopf und fragte: »Odysseus, sagst du? Von dem habe ich schon gehört. Ziemlich fauler Kunde, nach dem, was man so mitkriegt. Kauf ein gebrauchtes Boot von ihm, und bald hast du einen nassen Arsch. Solche Typen muß es auch …«
    War da ein Geräusch draußen?
    Sie stand auf und trat ans Fenster, dasselbe Fenster, aus dem sie sich im Traum gebeugt hatte. Die Nacht war schön und mondhell, wie in ihrer Geschichte. Hier allerdings ohne Lagerfeuer. Nur eine leere Einfahrt. Das Tor war angelehnt, offenbar hatte Peter vergessen, es zu schließen. Die Straße war menschenleer, nur ein paar Autos standen da, wie immer, sie gehörten Nachbarskindern, die diesen westlichen Initiationsritus bereits durchlaufen hatten, aber ihr Fahrzeug nicht in der Einfahrt stehenlassen konnten, weil Papas Gefährt den Ehrenplatz in der Garage einnahm und er am Morgen als erster losmußte. Nichts regte sich, nicht einmal eine Katze.
    Dann setzte sich ein Stück weit entfernt ein Fahrzeug in Bewegung und schlich in einem Tempo die Straße entlang, als wäre der Fahrer auf der Suche nach einer Prostituierten. Ein kurzsichtiger Freier vielleicht? Das Auto bog nach rechts ab, so daß sie den Fahrer sehen konnte oder wenigstens, als er kurz zu ihrem Haus hinübersah, sein hageres, fahles Gesicht, den bleistiftschmalen Schnurrbart und den bohrenden Blick, der einen Moment lang ihrem begegnete.
    Oder bildete sie sich das bloß ein, war es ein Trugbild aus Mondlicht und Schatten, getrübt durch das Fensterglas und den Zerrspiegel ihrer Phantasie?
    »Mami.«
    Jede andere Stimme hätte ihr einen Schreck eingejagt, aber die Angst, die Stimme ihrer Tochter nie wieder zu hören, saß ihr noch so in den Knochen, daß die Freude jedes andere Gefühl verdrängte.
    »Warum bist du denn auf, mein Schatz?« sagte sie. »Komm her.«
    Rosie kam herein, und Ellie schloß sie in die Arme.
    »Ich habe ein Geräusch gehört und bin in dein Zimmer gegangen. Dann hab ich das Licht vom Computer gesehen. Arbeitest du?«
    Wenn Ellie

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