Das Haus an der Klippe
fand. Angesichts seines aggressiven Verhaltens war dies eher unwahrscheinlich. Einzig Wield tolerierte er gerade noch, aber besonders Digweed schätzte er gar nicht, und so war der Preis für seine Duldung die Ausbreitung von Bücherkisten in unerwarteten Ecken.
Just an diesem Morgen hatte Wield einige im Bad entdeckt. Wenn ich es ihm durchgehen lasse, aus Rosies Besuch eine Affäre zu machen, finde ich demnächst Bücher im Bett, dachte er.
»Ich will ihr doch nur Girlies Streichelzoo zeigen«, sagte er. »Und ich hätte dir davon erzählt, aber eigentlich wolltest du ja morgen in York sein. Also dachte ich, was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.«
»Hinter meinem Rücken willst du sie einschmuggeln, was?« höhnte Digweed. »Ein echter Undercoverjob.«
Sie taxierten einander mit Blicken, das Patriziergesicht des Buchhändlers verzog sich zu einem hochmütigen Grinsen, seine Augen blitzten herausfordernd. Doch es erging ihm wie dem Knappen Roland vor dem dunklen Turm. Wields Augen gaben so wenig preis wie Fenster mit vorgelegten Läden in einer glatten Wand.
Schließlich fuhr sich Digweed mit der Hand übers Gesicht und wischte den arroganten Ausdruck fort. Reumütig blickte er Wield an.
»Kann gar nicht glauben, daß ich so was gesagt habe. Tut mir leid. Es war dumm von mir.«
»Oh«, rief Wield. »Das werden sie sein. Wenn du dich verstecken willst …«
Draußen war ein Auto vorgefahren.
Digweed schritt zur Tür und öffnete sie schwungvoll.
»Mrs. Pascoe. Ellie«, rief er. »Willkommen in unserer bescheidenen Hütte. Und dies muß die Rose sein, deren Schönheit ihren Ruf überstrahlt. Tretet herein, meine Lieben, tretet herein.«
Ellie und Rosie traten ins Haus. Die Mutter war leicht amüsiert von der Schau, die Digweed zu ihrer Begrüßung veranstaltete, während das Mädchen die hochgewachsene, silberhaarige Gestalt neugierig aus großen Augen ansah.
»Kaffee, Ellie? Kann ich dir einen Kaffee anbieten?
Echten
Kaffee, nicht so einen scheußlichen Pulverkaffee, wie Edgar ihn macht.«
»Nein, danke«, sagte Ellie.
»Und du, Rose? Möchtest du ein Glas Saft? Oder vielleicht lieber was, das prickelt? Der gute Edgar schmuggelt manchmal ein paar Dosen Cola in den Kühlschrank, um sich das letzte bißchen Schmelz von seinen Zähnen wegzuätzen.«
Rosie blickte ihre Mutter an, die ihr zunickte.
»O ja«, sagte das Mädchen. »Eine Cola.«
»Bitte schön. Bediene dich. Kühlschrank diese Richtung, zweite Tür links.«
Rosie ging aus dem Zimmer.
»Wie geht’s, Ellie? Alles in Ordnung?« fragte Wield.
»Ja, danke.«
»Allein gekommen?« fragte er ganz beiläufig.
»Abgesehen von so einem Mad Max in einem klapprigen Sportwagen, den ich nicht abhängen konnte.«
Wield lächelte.
»Wird Constable Bowler sein. Ein Neuer. Hätte sich mal vorstellen sollen.«
»Oh, das hat er«, sagte Ellie lachend. »Nett und höflich ist er. Ich habe ihm gesagt, Mid-Yorkshire würde ihm das bald austreiben. Süßer Kerl übrigens, ist euch das aufgefallen?«
»Kann passieren, daß wir ihm das auch austreiben«, meinte Wield, ohne eine Miene zu verziehen.
Digweed warf ihm einen scharfen Blick zu, doch bevor er eine entsprechende Bemerkung hinterherschicken konnte, war von nebenan aufgeregtes Bellen zu hören.
»O Gott. Hab ich ganz vergessen, in der Küche ist ja der Höllenhund los«, rief Digweed.
Er machte eine Bewegung zur Tür, doch Wield, dicht gefolgt von Ellie, war schneller. Als der Sergeant auf der Schwelle zur Küche plötzlich stehenblieb, versuchte sie an ihm vorbeizukommen, wurde aber von seinem kräftigen rechten Arm gebremst. Sie beugte sich darüber wie ein Fan beim Pop-Konzert über ein Absperrgitter und sah Rosie auf dem Fußboden vor dem Kühlschrank knien, die Arme um einen kleinen braunweißen Hund geschlungen, der seine Vorderpfoten auf ihre Schultern gelegt hatte. Einen schrecklichen Moment lang dachte sie, Rosie müßte sich gegen den Hund zur Wehr setzen. Dann erkannte sie, daß der Hund Rosie keineswegs angriff, sondern ihr Gesicht abzuschlekken versuchte, während der kleine Stummelschwanz am anderen Ende seines Körpers heftig zuckend Freude signalisierte.
»Alles in Ordnung, Rosie?« fragte Wield erleichtert.
»Klar. Ist er nicht lieb? Wie heißt er denn? Ist das deiner, Wieldy?«
Bevor Wield antworten konnte, bewies Digweed, daß der Jurist in ihm weder seine Geistesgegenwart noch seine scharfe Zunge eingebüßt hatte. »Eigentlich gehört er niemandem, Schatz. Wir kümmern
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