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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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wirklich froh, daß du und dein alter Vater und diese gutaussehenden Jungs hier heil und gesund davongekommen sind.«
     
    Diese Sache mit dem gebrauchten Boot störte sie ein wenig, der Bezug zu einem Autoverkäufer war zu eindeutig. Machte das die Stelle hoffnungslos anachronistisch? Im großen und ganzen nicht, dachte sie. Der Satz mochte vielleicht modern klingen, aber er war weder vom Inhalt noch von der Sache her wirklich anachronistisch. Unredlicher Handel war so alt wie Homer selbst. Gab es da nicht eine Stelle in der
Ilias
, wo ein griechischer Krieger einen Trojaner verschont, weil er in ihm einen entfernten Verwandten erkennt, und als er ihm dann als Ausdruck ihrer Verbundenheit einen Tausch der Rüstungen anbietet, erscheint dies zunächst als noble Geste, bis der Dichter sarkastisch bemerkt, daß die Rüstung des Griechen einen Haufen altes Blech darstellt, während die des übertölpelten Trojaners ganz aus Bronze und Gold gefertigt ist?
    Was den Einwand betraf, das klinge nicht nach einem alten Griechen, zugegeben, natürlich nicht! Zunächst würde der ja Altgriechisch sprechen. Und es erschien ihr keineswegs schlüssig, warum man das in der poetischen Sprache des achtzehnten Jahrhunderts vorbringen sollte. Ihr kam das so vor wie jene blöden Filme, wo die Ausländer vergeblich in ihrer eigenen Sprache sprechen und das in englisch mit einem fremdländischen Akzent tun.
    Nachdem sie sich auf diese Weise selbst überzeugt hatte, fuhr sie fort.
     
    »Danke für deine Besorgnis«, sagte Äneas. »Aber du hast noch nicht meine erste Frage beantwortet. Warum hast du deine Bitten an mich und nicht an meinen Vater gerichtet?«
    Der Fremde beugte sich vor und sprach in vertraulichem Ton, so als ob er und der Fürst ganz allein wären.
    »Nun, Herr, da hast du natürlich verdammt recht. Und unter normalen Umständen hätte ich auch dem Alter Vorrang gegeben. Aber in diesem Fall, sah er so … verzeih, Herr, aber du hast mich danach gefragt … er sah so hinfällig und gebeugt aus, als hätte er eine Menge hinter sich und als würde ihm alles zuviel. Da erschien es mir nicht angebracht, ihn noch weiter zu belasten.«
    »Das war sehr rücksichtsvoll von dir«, meinte Äneas.
    »Ja, vielleicht. Aber um ehrlich zu sein, ein bißchen Eigeninteresse war auch dabei. Will sagen, ich hatte den Eindruck, daß ein Wort von dir genügt, um all diese hübschen Jungs hier davon abzuhalten, mich zu massakrieren. Doch ich war mir nicht sicher, ob sie deinem Vater denselben Respekt zollen, jedenfalls nicht im Eifer des Gefechts.«
    »Sei versichert, jeden, der das nicht getan hätte, den hätte augenblicklich das gleiche Schicksal ereilt«, erwiderte Äneas ruhig.
    »Kann schon sein. Bloß würde das für mich keinen Unterschied mehr machen, wenn ich dann mit Speeren gespickt auf dem Boden läge, wie ein Igel, der von einem Streitwagen überrollt wurde.«
    Der Fürst nickte, als pflichtete er dieser Überlegung bei.
    »Nun nenne mir deinen Namen und deinen Rang, und sage, welcher Familie und welchem Stand du angehörst, aus welcher entlegenen Gegend du kommst, die von den Nachrichten über den großen Krieg um Troja unberührt blieb, und ob dich die Laune des gleichgültigen Geschicks oder der gerechte Zorn eines der großen Olympier im Zustand der Nacktheit an diese unwirtliche Küste verschlagen hat.«
    Der Grieche holte tief Luft, lächelte dann und öffnete langsam die Arme, weit wie ein Patriarch, der eine ganze Schar von Enkeln umarmen will. Während er zuvor so gesprochen hatte, als ob er und Äneas ganz allein wären, wandte er sich nun in Tonfall und Gebaren an die gesamte Zuhörerschaft.
    »Mein Name ist Nikos, Herr, und ich bin auf einer Insel geboren, so klein und abgelegen, daß niemand sie kennt, außer jenen, die sie bewohnen, und die nennen sie Orchis, wegen ihrer Form. Ich stamme aus einer Familie von Fischern, wir sind weder arm noch reich, denn solche Dinge sind ja relativ, und wir sind alle Fischer auf Orchis und können für uns selbst sorgen, so daß arm oder reich keine Bedeutung hat.«
    »Ihr habt also keinen Herrscher?« unterbrach ihn Äneas.
    »Nicht auf der Insel. Es gibt dort nichts, was einen großen Mann wie dich veranlassen könnte, eine Festung zu bauen und sich die Menschen untertan zu machen. Doch ist es in diesen bewegten Zeiten nicht einfach, ohne den Schutz auszukommen, den es mit sich bringt, irgendwo dazuzugehören, und so entrichten wir schon seit langem den bescheidenen Tribut, den

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