Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
blättern.
    »Hier, diese Stelle, ›Fürstenzorn macht dir nicht Not, Fürchte nicht Tyrannenstreich‹, das ist aus
Cymbeline.«
    »Das habe ich übersehen«, sagte Pascoe. »Worum geht’s denn da?«
    »Die Handlung zu erklären würde länger dauern, als sich das Stück anzuschauen. Hauptsächlich dreht es sich um einen Typen namens Posthumus, der sich einreden läßt, seine Frau betrüge ihn mit einem Italiener namens Jachimo, einem Jago im Kleinformat, ha ha.«
    »Also noch eine
Othello
-Version?«
    »Eigentlich nicht. Es geht alles gut aus. Aber dramaturgisch gesehen, holpert es ziemlich, es gibt jede Menge unwahrscheinlicher Zufälle und anonymer Edelleute, die sich unterhalten, damit man die Handlung kapiert, die ziemlich verwickelt ist: Prinzen, die nach der Geburt entführt werden, vertauschte Identitäten, Gift, das nicht wirkt, transsexueller Mummenschanz, die ganze Geschichte ist verworrener als eine Fernsehdokumentation. Die Verse sind auch komisch, teils eher lyrisch, dann wieder ganz derb und schräg.«
    »Hört sich an, als wäre dem alten Schwan von Avon das Schwimmen sauer geworden«, meinte Pascoe, erfreut darüber, daß Ellie sich offensichtlich mehr für die sprachlichen Wurzeln des Briefes interessierte, als sich mit der Drohung zu beschäftigen, die dahintersteckte.
    »Das glaube ich nicht«, sagte sie. »Es ist eher, als wollte er sagen, das hier ist nicht für die Oberschlauen, die Kritikaster, die Medienheinis, sondern für die Leute, die an der Basis leben und arbeiten. Laßt uns einen Blick auf die Kunstfurzerei dieses ganzen Dramengeschäfts werfen und mal sehen, wie das wirklich läuft. Okay, ich hab’s flott und elegant gebracht, sauber konstruiert, ihr wißt alle, ich kann’s im Kopfstand. Aber warum soll ich mich damit abgeben, wenn die wahren Geschichten und die wahren Gefühle ohnehin durch allen Dreck durchscheinen, wie sie das auch im richtigen Leben tun? Und wie im wirklichen Leben ist Poesie etwas Zufälliges, das eher hier und da mal kurz aufblitzt, anstatt in großen vorfabrizierten Batzen daherzukommen. Und was das Happy-End betrifft, ein tragischer Ausgang wäre einfach, weil er die Norm ist. Es ist das Glück danach, was den Mann vom Kind unterscheidet. Natürlich war er Sexist.«
    Pascoe bekam das Gefühl, langsam zu weit darauf eingegangen zu sein.
    »Genauer bitte«, sagte er. »Was hat das mit dem Brief zu tun?«
    »Das stammt aus einem Lied, das über Fidelios Leichnam gesungen wird, nur daß er nicht wirklich tot ist, und er ist auch nicht wirklich ein
er
, sondern Imogen, oder genauer Innogen, die fälschlich beschuldigte Frau, die sich als Junge verkleidet hat und sich Fidelio nennt, was natürlich ›der Treue‹ heißt, das dürftest sogar du wissen.«
    »Ich find’s in Ordnung, daß es gut endet, wenn es nur bald endet«, meinte Pascoe. »Aber was bedeutet das in diesem Zusammenhang?«
    »Also, ich habe die Exegese geliefert, für die Ermittlungen bist du zuständig. Ich habe keine Ahnung, was es bedeutet, außer, daß ich jetzt noch froher bin, Rosie morgen früh nach Nosebleed bringen zu können. Ich werde gleich Daphne anrufen.«
    »Hast du nicht etwas vergessen?«
    »Was denn?«
    »Du warst unentschieden, ob du mir eine Ohrfeige oder einen Schmatzer geben wolltest.«
    »Genau wie du.«
    »Okay. Bei drei. Eins … zwei …«
    Sie klebten immer noch aneinander, als ein höfliches Hüsteln ihre Aufmerksamkeit auf ihre Tochter lenkte, die ihnen geduldig zusah.
    Als sie sah, daß ihre Eltern sich ihr zuwandten, sagte sie: »Mummy, Tig hat im Hof ein großes Häufchen gemacht. Was soll ich damit machen?«

Zwanzig
    Schuster, bleib bei deinen Leisten
    E llie Pascoe hatte nicht ganz falsch gelegen. Tatsächlich war Cap Marvell bei Dalziel gewesen, als sie angerufen hatte. Doch sie hatten nichts Intimeres getan, als gemeinsam eine Tasse Tee zu trinken.
    Mit ihrem Vergleich allerdings hatte Ellie stark danebengegriffen. Die Frau war zwar recht gut gebaut, doch ließen ihre Kurven eher an die Cotswold Hills als an den Kaukasus denken, und auf jeden Fall waren sie nicht vergleichbar mit dem Himalajagebirge, das ein liegender Dalziel darbot.
    Sie hatten eine Beziehung, die, wie beiden klar war, vollständige Ehrlichkeit nicht überlebt hätte, die aber auch, wie beide wußten, ohne sie verkümmert wäre.
    Als daher Dalziel von dem Telefon im Flur zurückkam und sagte: »Geh mal ein paar Minuten nach oben, Schatz. Es kommt jemand vorbei, dem du lieber nicht begegnen

Weitere Kostenlose Bücher