Das Haus an der Klippe
möchtest«, murrte Cap nicht, sondern nahm ihre Tasse und stieg gelassen die Treppe hinauf, denn sie wußte, er würde ihr später alles erzählen.
Es klingelte.
Dalziel vergewisserte sich, daß nichts auf die Anwesenheit von Cap Marvell hindeutete, und ging dann zur Haustür.
Da stand ein großer, schlanker Mann mit silbergrauem Haar, dessen Kommen er schon durch die einzige klare Scheibe in der farbigen Glasfüllung bemerkt hatte, weshalb er sein Gespräch mit Pascoe rasch beendet hatte.
»Mr. Dalziel, wie schön, Sie wieder einmal zu sehen«, sagte der Mann. »Gawain Sempernel. Wir haben uns …«
»Ah ja, ich erinnere mich. Sie haben sich kaum verändert. Wie geht es Ihnen?«
Sie schüttelten sich höflich die Hand, wobei beiden nicht daran lag, es zu übertreiben.
»Mir geht es gut. Sie brauche ich gar nicht zu fragen. Ich sehe, Sie stehen in voller Blüte.«
»Kommen Sie doch rein, bevor die Nachbarn uns hier beim Händchenhalten beobachten. Ich habe gerade eine Kanne Tee gemacht. Oder bevorzugen Sie vielleicht etwas Kräftigeres?«
»Etwas Kräftigeres als Yorkshire-Tee? Gibt es solch ein Gebräu? Nein, Tee wäre mir sehr lieb. Was für ein entzückendes kleines Heim Sie haben! Wirklich entzückend. Erinnert mich an das Mews-Cottage meiner Nichte in Chelsea, nur daß sie dort alles kaputtmodernisiert haben, was Charakter hatte. Es freut mich zu sehen, daß Sie soviel Geschmack hatten, hier nicht herumzuwerkeln.«
Dalziel sah sich in dem kleinen, quadratischen Wohnzimmer um, in das er seinen Besucher geführt hatte. Es stimmte, er hatte hier nicht herumgewerkelt. Eigentlich hatte sich hier kaum etwas verändert seit dem etliche Jahre zurückliegenden Tag, an dem er und seine Frau hier eingezogen waren, und überhaupt nichts seit dem Tag, als sie ein paar Jahre später ausgezogen war. Aber es war sauber und ordentlich, was konnte ein Mann mehr verlangen?
»Ja, Charakter gibt es hier genug, wenn es das ist, was Sie suchen«, sagte er und schenkte eine Tasse voll, die er aus dem Schrank genommen hatte. »Wollen Sie mir vielleicht ein Angebot machen? Ich würde mich an den Preisen von Chelsea orientieren.«
»Oh, der Abgrund zwischen Erwartung und Erfüllung, er hallt wider von den Schreien guter Menschen, die noch fallen«, sagte Sempernel. »Eine Ausnahme ist der Yorkshire-Tee, der alles übertrifft, was man von ihm berichtet.«
Er setzte die Tasse ab, von der er vorsichtig genippt hatte, und betrachtete prüfend den Teller mit den Törtchen, die Dalziel ihm anbot.
»Danke, nein«, sagte er. »Ein nüchterner Kopf erfordert einen nüchternen Magen. Das Wichtige zuerst, Mr. Dalziel. Ich komme gleich auf den Punkt. Sie sind ja als Mann bekannt, der Direktheit zu schätzen weiß. Jedenfalls haben Sie heute morgen vor dem Gerichtssaal einen Kollegen von mir sehr direkt angesprochen und dabei auch ganz nebenbei eine Bemerkung über mich fallenlassen. Ich frage mich, wie Sie dazu kamen, eine Verbindung zwischen mir und dem Herrn herzustellen, an den Sie sich wandten?«
»Glück gehabt beim Raten«, entgegnete Dalziel lässig. »Ich erkenne Schnüffler auf zwei Meilen Entfernung. Muß an der Art liegen, wie sie gehen. Sie sollten mal dran arbeiten. Was Sie betrifft, nun, Ihr Name ist der einzige, der mir bekannt ist, oder? Und vielleicht, dachte ich mir, haben Sie sich in Eastbourne zur Ruhe gesetzt, oder Sie betrachten schon die Radieschen von unten. Also, Glück gehabt.«
»In der Tat«, meinte Sempernel trocken. »Sagen Sie mir Bescheid, falls Sie mal Renntips verkaufen. Sie haben mich also aufgestöbert. Ich habe Sie auch aufgestöbert, in unserer Kartei. Ihre Akte las sich ganz interessant, als ich sie heute nachmittag überflogen habe. Ich gebe zu, daß ich einige Zweifel hatte, ob Sie wirklich intellektuell so beschränkt sind, wie Sie sich bei unserer letzten Begegnung gegeben haben. Ich bin erfreut und zugleich enttäuscht, meine Vermutung bestätigt zu sehen. Allerdings hat Ihr Auftritt vor Gericht kaum den Eindruck gemacht, daß Sie im Vollbesitz Ihrer geistigen Kräfte sind.«
»Ich war einfach schlecht vorbereitet. Und diese Kuh auf der Richterbank wollte ein paar alte Rechnungen begleichen.«
Sempernel schüttelte lächelnd den Kopf.
»Nein, so war das nicht, Mr. Dalziel. Ich glaube, Ihnen lag daran, daß die Verlängerung der Untersuchungshaft abgelehnt wird. Und nachdem Sie das erreicht hatten, haben Sie noch unmißverständlich klargestellt, daß Sie sich nicht bloß ungeschickt
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