Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
fühle mich sicherer, wenn ich – mit Verlaub – zwei alte Hasen an meiner Seite habe.«
»Gut, das wird zu Ihrer Zufriedenheit erledigt. Morgen dreizehn Uhr im Restaurant des Paradise.«
Erst in diesem Augenblick stolperte Valerie über den Namen des Treffpunkts. Um das Hotel Paradise hatte sie nämlich einen großen Bogen gemacht, seitdem sie dort Zeugin der Verlobung von Mary und James geworden war. Sie überlegte kurz, ob sie um einen anderen Ort bitten sollte, verwarf den Gedanken aber. Das Kapitel James Fuller ist endgültig beendet, redete sie sich gut zu.
Gerald hatte sie mittlerweile mit sich fortgezogen. Er schien es kaum mehr abwarten zu können, ihr das Herzstück der Plantage zu zeigen. Die Brennerei. Mit großer Geste und feierlicher Miene holt er den Schlüssel hervor.
»Es gibt nur den einen«, erklärte er. »Und den trage ich immer bei mir. Man müsste mich schon umbringen, um ihn in seinen Besitz zu bringen.«
Im Inneren der Destillerie war es erstaunlich hell. Das verwunderte Valerie zunächst, denn es gab keine Fenster. Gerald zeigte nach oben an die Decke. Das Dach war aus Glas wie bei einem Gewächshaus.
In der Mitte des Raumes stand etwas, das wie ein riesiger Kupferkessel aussah.
»Da steht sie, die Zauberin«, stieß er schwärmerisch hervor. Valerie lächelte. Es war rührend, wie begeistert er von seiner Destille sprach, die in ihren Augen zunächst einmal nicht mehr als ein großes Gefäß aus Kupfer war.
Valerie ließ sich gern von seinem Enthusiasmus anstecken und trat dicht an die Destille heran.
»Sie ist nicht nur besser gebaut als die der Konkurrenz nach Plänen von Misses Sullivans erstem Mann, sondern wir produzieren auch anders. Die Pläne der Destille befinden sich in einem Bankfach. Falls unsere Destille einmal ausfällt«, flüsterte er verschwörerisch. »Darf ich Ihnen einen Überblick über die wesentlichen Unterschiede geben?«
»Ich bin gespannt«, entgegnete Valerie.
»Wir erhitzen die Maische zweimal in dem Brennglas. Zunächst erhalten wir ein Destillat, das einen Alkoholgehalt von bis dreißig Prozent hat, beim zweiten Brennen kommen wir auf bis zu achtzig Prozent. Dann haben wir unseren puren Rum, und dank unserer Destille bleiben alle Aromen erhalten. Aber damit nicht genug. Wir stellen nicht nur eine Sorte puren Rum auf diese Weise her, sondern mehrere. Jedes Destillat hat seine eigene Note. Und dann werden diese vermischt und ohne weitere Zusätze in die Fässer gefüllt. Sehen Sie dort.«
Valerie blickte zum anderen Ende des hallenähnlichen Raumes. Dort standen Unmengen von Fässern.
»Und was ist daran das Besondere?«, fragte Valerie zaghaft.
»Wir stellen puren Rum her, der erst in Flensburg mit reinem Alkohol und Wasser auf Trinkstärke herabgesetzt wird. So können wir viel Inhalt in den Fässern liefern. Viel mehr als die anderen.«
»Ach, das hat meine Großcousine gemeint. Jetzt verstehe ich. Das ist also wesentlich profitabler.«
»Genau! Die Fässer der anderen enthalten bereits die fertige Mischung, wir liefern nur den Grundstoff. Die anderen liefern also auch eine Menge Wasser. Und wir lassen drüben das beste Wasser hinzusetzen, das es gibt. Und das ist das Flensburger Wasser. Verstehen Sie?«
»Natürlich. Die Fässer der Konkurrenz sind zum Teil mit Wasser gefüllt, das bei uns erst in Flensburg hinzugesetzt wird. Dadurch ergibt unser pures Destillat am Ende wesentlich mehr verkaufbaren Rum.«
Gerald strahlte über das ganze Gesicht. »Genauso ist es. Und deshalb müssen wir dieses Geheimnis hüten, sowie die besondere Konstruktion unserer Destille.«
»Ich sage es bestimmt nicht weiter«, lachte Valerie.
»Sie glauben ja gar nicht, was mir schon geboten worden ist, damit ich es verrate«, knurrte Gerald.
»Man hat versucht, Sie zu bestechen?«, fragte Valerie empört.
»Mehrfach, aber letztes Mal habe ich diesem Kerl eins aufs Maul gegeben. Seitdem hat er es nicht mehr versucht.«
»Und wer ist dieser Mensch?«
Gerald verdrehte die Augen. »Ich will Sie nicht unnötig mit so etwas belasten.«
»Bitte, Sie müssen es mir sagen. Ich sollte wohl wissen, wer uns auszuspionieren versucht.«
»Ungern«, seufzte er. »Es ist Cecilys Bruder! Ihre Familie besitzt, wie Sie ja wissen, ebenfalls große Plantagen. Die legendären Hamilton-Plantagen, über die wüste Gerüchte im Umlauf sind. Da soll viel Blut geflossen sein, als der alte Hamilton noch der Zuckerbaron Jamaikas war. Inzwischen sind die aber auch ganz groß ins
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