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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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die Konventionen und Familientradition siegen. Dabei habe ich übersehen, dass Cecily Fuller eine selbstverliebte, oberflächliche Person ist, die nie im Traum daran gedacht hat, mit mir eine Familie zu gründen. Ich verstehe übrigens offen gestanden nicht, was Sie beide verbindet. Sie, Miss …«
    »Sagen Sie einfach Valerie zu mir, Gerald«, unterbrach sie ihn.
    »Gut, Valerie, mir ist ihre Freundschaft ein Rätsel. Sie sind so völlig anders als diese bornierten Töchter der feinen Gesellschaft. Ich finde, Sie kommen ganz nach Ihrer Großmutter und sind eine würdige Nachfolgerin.«
    Valerie wurde rot. Sie hätte nie gedacht, dass der manchmal ungehobelt wirkende Gerald ihr solche Komplimente machen konnte und dabei den richtigen Ton traf. Plötzlich fiel ihr Cecilys Brief ein, und ihr wurde heiß und kalt zugleich. Was, wenn Gerald davon Kenntnis erlangen würde, dass Cecily sein Kind unter dem Herzen trug? Aber hatte er nicht ein Recht dazu, es zu erfahren? War es nicht sogar ihre Pflicht, ihn aufzuklären?
    Valerie atmete ein paarmal tief durch, bevor sie beschloss, dass ihr Mund versiegelt bleiben würde. So sehr sie Cecilys Betrug auch verurteilte, sie war keine Verräterin. Aber, und das nahm sie sich fest vor, sie würde ihrer Freundin ins Gewissen reden und ihr raten, das Kind ihrem Mann nicht einfach unterzujubeln. Und wenn ich dazu Weihnachten nach Kingston reisen muss, dachte sie.
    »Ich bin heilfroh, dass Sie für mich arbeiten, Gerald«, sagte Valerie aus vollem Herzen. »Und ich freue mich für Sie, dass Sie auf diese ungewöhnliche Weise Ihre große Liebe gefunden haben.«
    »Valerie? Wollen Sie nicht Patin werden?«
    »Ich? Aber was wird Rosa dazu sagen?«
    »Ich bin überzeugt davon, dass sie es gutheißt. Und verzeihen Sie mir bitte, dass ich vorhin so schroff Ihnen gegenüber war. Ich habe immerzu das Gefühl, ich muss meine Frau beschützen.«
    »Schon gut, Gerald.« Valerie legte ihre Hand beruhigend auf seinen Arm. »Wir sehen uns morgen um dreizehn Uhr im Paradise Hotel.«
    »Ich werde pünktlich dort sein, und Mister Kilridge wird den vorbereiteten Vertrag dabeihaben. Es wird alles gut.«
    Valerie rang sich zu einem Lächeln durch, das, kaum dass sie sich von ihm abgewandt hatte, auf ihren Lippen erstarb. Die Vorstellung, James Fuller könnte sich ihr womöglich aus rein geschäftlichen Gründen genähert haben, wollte ihr förmlich das Herz zerreißen.

19
Montego Bay, Jamaika, November 1883
    V alerie war zu früh zu dem Treffen im Paradise Hotel erschie nen. Ihre Angst, sie könnte zu ihrer ersten wichtigen Geschäftsbesprechung unpünktlich sein, hatte sie dazu bewogen, sich bereits um zwölf Uhr in die Stadt fahren zu lassen. Nun saß sie seit einer geraumen halben Stunde an dem reservierten Tisch und versuchte sich auf den bevorstehenden Termin zu konzentrieren. Immer wieder flog sie der Gedanke an den verräterischen Schuft James an und lähmte sie.
    Deshalb war Valerie froh, als sie Geralds suchendes Gesicht sah. Eifrig winkte sie ihm zu und musste wider Willen lächeln. Er sah so völlig anders aus als sonst in seinem Anzug. Ein bisschen verkleidet, dachte sie amüsiert.
    »Schön, dass Sie gekommen sind«, sagte sie, und ihr Blick blieb erneut bei der Tür hängen. Dort erspähte sie Mister Kilridge in Begleitung eines ihr unbekannten Mannes. Die beiden näherten sich dem Tisch. Der Fremde stellte sich als Mister Owens vor. Es war ihm sofort anzusehen, dass er schon bessere Zeiten erlebt hatte. Sein verschlissener Anzug und seine fahle Gesichtshaut sowie die tiefe Falte zwischen seinen Augen sprachen Bände.
    »Guten Tag, Mister Owens«, begrüßte Valerie den sichtlich gebrochenen alten Mann freundlich. Es tat ihr beinahe leid, mit seiner Notlage ein gutes Geschäft zu tätigen.
    »Ich hätte es wie Ihre Großmutter machen und auf Rum setzen sollen, aber ich war unbelehrbar. Wie hat mir meine Frau in den Ohren gelegen. Unser Zucker ist nichts mehr wert, hat sie immer gesagt … «, klagte der Mann.
    »Ja, Mister Owens, wir bedauern das, aber trösten Sie sich. Mit dem Geld, das wir für Ihre Plantagen zahlen, können Sie sich einen geruhsamen Lebensabend leisten«, erklärte Mister Kilridge diplomatisch.
    »Ja, ja, ich unterschreibe ja«, erwiderte der alte Mann.
    Mister Kilridge holte daraufhin den Vertrag aus seiner Tasche, aber Valerie ging das zu schnell. Ihr tat der Zuckerrohrpflanzer leid, und sie hatte das Gefühl, ihm seine Würde zu nehmen, wenn sie ihn, kaum dass er

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