Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
glückliches Paar, das sein erstes Kind erwartet.«
Seufzend musterte Valerie die beiden. Sie warfen sich verliebte Blicke zu. Anscheinend stimmte, was er sagte. Offenbar war aus dieser Notgemeinschaft eine richtige Ehe geworden. Sie konnte sich nicht helfen: Es wirkte echt.
»Sie haben recht, Gerald. Wem nützt es, nachträglich in den Wunden zu bohren? Aber trotzdem möchte ich Ihrer Frau etwas für das Kind geben.«
Valerie holte aus ihrer Handtasche den Lederbeutel und reichte ihn Rosa.
»Was ist das?«, fragte sie mit einer Mischung aus Neugier und Ablehnung.
»Es ist Ethans Vermögen. Doktor Brown hat es mir gegeben, aber ich möchte es nicht annehmen und finde, dass es Ihrem Kind zugute kommen sollte.«
Rosa starrte Valerie ungläubig an.
»Nein, Misses Valerie, das wollen wir nicht haben«, verkündete Gerald entschlossen.
Rosa nahm seine Hand und drückte sie liebevoll. »Doch, Gerald, ich glaube, wir können es ruhig annehmen. Wir müssen Misses Brown nichts vorspielen. Und Ihre Entscheidung, es dem Kind zu überlassen, zeugt von Großmut und Herzensgüte.« Sie fixierte Valerie. »Ich danke Ihnen. Und ja, ich habe Sie gehasst, weil ich glaubte, Sie hätten mir Ethan fortgenommen, dabei hat er mich nie annähernd so geliebt wie Sie. Vielleicht würde ich Sie immer noch abgrundtief hassen, wenn ich durch dieses Arrangement nicht. …« Rosa suchte Geralds Blick. Die beiden sahen sich tief in die Augen.
Ob mir Derartiges wohl auch noch einmal vergönnt sein wird, fragte sich Valerie traurig.
»Ethan hat sich sogleich in Sie verliebt, Misses Brown. Ich sah es ihm an, als er von dem Dinner bei Ihnen zurückkehrte. Er war wie verwandelt. In seinen Augen funkelten tausend Sterne. Ich fragte ihn, was geschehen sei, und er sagte: Sei nicht böse, Rosa, aber heute ist mir die Frau meines Lebens begegnet, und ich werde sie heiraten …«
Diese Worte genügten, um Valerie die Tränen in die Augen zu treiben. Spontan umarmte sie Rosa, und die beiden Frauen weinten gemeinsam um einen Menschen, den jede von ihnen auf ihre Weise geliebt hatte.
Sie verstummten erst, als Gerald sich laut zu räuspern begann. Ihm war es offensichtlich unangenehm, dass die beiden in seiner Gegenwart um einen anderen Mann trauerten.
»Misses Valerie, ich will Sie ja nicht drängen, aber was meinen Sie? Wollen wir nicht endlich an die Arbeit gehen?«
Valerie löste sich aus der Umarmung mit Rosa und nickte. »Ja, deshalb bin ich ja schließlich hergekommen«, schniefte sie.
»Sie sind eine großartige Frau, Misses Brown«, seufzte Rosa zum Abschied und winkte ihnen nach.
Schweigend machten Gerald und Rosa sich auf den Weg. Auf den meisten Feldern war noch das ganze Ausmaß der Katastrophe sichtbar, und umgeknickte Halme bestimmten das Bild. Auf anderen Feldern waren fleißige Hände damit beschäftigt, die Halme der zerstörten Pflanzen am unteren Ende zu kappen.
Neugierig blieb Valerie stehen und sah ihnen bei der Arbeit zu.
»Bald wächst es wieder, Missus!«, rief ihr Papa Jo zu, der inmitten der Arbeiter schuftete.
»Wie lange wird es dauern, bis wir wieder ernten können?«, fragte Valerie Gerald.
Der legte seine Stirn in Falten. »Frühestens in einem Jahr«, erwiderte er zögernd.
»Aber was geben wir den Schiffen mit, wenn wir vorläufig keinen Nachschub an Rum mehr produzieren können?«
»Tja, wenn ich das wüsste«, erwiderte er eifrig. »Darüber grübele ich Tag und Nacht. Vielleicht sollten wir Plantagen dazukaufen. Einige kleinere Pflanzer sind zurzeit durchaus bereit, ihre Plantagen abzustoßen. Es rentiert sich für einige nicht mehr. Ich habe mir erlaubt, morgen im Hotel Paradise ein Treffen für Sie zu arrangieren mit einem gewissen Mister Owens. Seine Pflanzen sind verschont geblieben, aber für ihn lohnt sich das Geschäft mit dem Zucker schon lange nicht mehr. Und wenn er verkaufen würde, dann könnten wir im Februar direkt auf der neuen Plantage abernten und genügend Rum produzieren.«
Valerie klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. »Das ist ja mal eine gute Nachricht, Gerald. Natürlich kaufe ich die Plantage. Das Geld ist nicht das Problem. Noch nicht. Das würde erst knapp werden, wenn wir ein Jahr mit dem Handel aussetzen und die Schiffe leer zurückfahren ließen. Ob Sie bitte Mister Kilridge Bescheid sagen könnten? Ich möchte gern, dass Sie beide bei dem Gespräch mit Mister Owens dabei sind.«
»Aber ich bin nur der Verwalter und der Brennmeister«, widersprach Gerald.
»Bitte, ich
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