Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
Augenblick nicht dazu nutzen? Valerie entschied sich dagegen. Nicht jetzt. Cecily war momentan noch impulsiver und unduldsamer, als sie es ohnehin schon immer gewesen war. Außerdem musste Valerie sich auf den Abend gut vorbereiten, wenn sie dem Plantagenbesitzer ein Stück Land abtrotzen wollte, ohne sich als potenzielle Heiratskandidatin anzubieten.
»Ich bin rechtzeitig unten«, seufzte sie und hoffte, dass die Freundin sie nun wieder allein lassen würde. Cecily aber schien noch etwas auf dem Herzen zu haben. »Meinst du, dass er mich vermisst?«, fragte sie schließlich.
»Ach so, du sprichst von Gerald. Das kann ich dir leider nicht beantworten. Wir haben nur beruflich miteinander zu tun«, erklärte Valerie und seufzte innerlich.
»Ihr habt also kein einziges Mal über mich gesprochen?«, hakte Cecily unwirsch nach.
»Nicht, dass ich wüsste«, log Valerie. Sie konnte der Freundin ja schlecht die Wahrheit erzählen: dass Gerald inzwischen ein glücklich verheirateter Mann war, der sich wie ein richtiger Vater auf Ethans Kind freute. Und dass Cecily für ihn der Vergangenheit angehörte.
Enttäuscht erhob sich Cecily von der Bettkante. »Ich dachte ja nur, er hätte etwas erwähnt. Dabei fühle ich doch, dass er sich nach mir sehnt. Was würde ich darum geben, bald nach der Geburt in seinen Armen zu liegen«, seufzte sie schwärmerisch.
Valerie wusste nicht, welcher Teufel sie ritt, aber sie konnte es einfach nicht länger ertragen, wie Cecily sich in der trügerischen Hoffnung wähnte, Gerald würde das Verhältnis zu ihr tatsächlich fortsetzen. »Cecily, hör auf damit! Du hast deinen Mann und deine Familie. Und Gerald hat sein Leben. Du weißt, dass er eine Frau hat, die ein Kind erwartet.«
Cecily lachte laut und schrill auf. »Wessen Wechselblag er sich auch immer ins Haus geholt hat, er hat es aus Rache getan. Wir waren uns doch einig: Die Schwarze bedeutet ihm nichts!«
Valerie wusste genau, dass sie besser damit aufhören sollte, der Freundin die Wahrheit beizubringen, doch sie konnte nicht anders. »Dass du Ben geheiratet hast, mag anfänglich seine Motivation zu dieser Eheschließung mit Rosa gewesen sein, aber inzwischen ist daraus eine tiefe Liebe geworden. Niemals würde er seine Frau betrügen!«
Wenn Blicke töten konnten, durchfuhr es Valerie eiskalt.
»Ich denke, du hast nicht mit ihm über mich geredet?«, schnaubte Cecily.
»Nein, aber ich habe die beiden des Öfteren zusammen gesehen. Und es ist unübersehbar, dass die beiden sich ineinander verliebt haben.«
»Du bist ja verrückt! Was soll das? Willst du mich zu einer anständigen Ehefrau erziehen? Das lass mal schön meine Sorge sein, mit wem ich ins Bett gehe.«
»Nein, ich möchte dir lediglich die Flausen austreiben. Und ich denke, es ist nur fair, wenn ich dich davor warne, dich ihm noch einmal an den Hals zu werfen.«
Cecilys Wangen glühten vor Zorn. »Was soll denn das heißen? Willst du damit etwa sagen, dass ich ihm nachgelaufen bin?«
Valerie ahnte, dass sie zu weit gegangen war, und versuchte zurückzurudern. »Nein, natürlich nicht. Ich hatte nur den Eindruck gewonnen, die beiden hätten sich angenähert.«
»Pah«, zischte Cecily. »Als ob du so etwas beurteilen könntest. Du hast es ja nicht einmal geschafft, meinen Bruder für dich zu gewinnen. Und dabei hättest du wirklich leichtes Spiel gehabt, wenn du es ein wenig geschickter angestellt hättest. Nein, von dir brauche ich keine Ratschläge in Sachen Liebe. Ich werde ihm schreiben und in Aussicht stellen, dass ich Ostern nach Montego Bay komme.«
»Tu, was du nicht lassen kannst!«, stöhnte Valerie.
»Na, du bist mir vielleicht eine Freundin! Wahrscheinlich gönnst du es mir nicht, dass ich beides haben kann, während du auf dem besten Wege bist, eine eiserne Jungfrau zu werden. Genau wie deine Großmutter!«
Valerie atmete tief durch und unterdrückte die Erwiderung, die ihr auf der Zunge lag. Dass ihre Großmutter weit davon entfernt gewesen war, eine eiserne Jungfrau zu sein, sondern einst eine umschwärmte Frau gewesen war.
»Ich ziehe mich jetzt um«, erklärte sie kurz angebunden und wandte sich abrupt dem Kleiderschrank zu.
Ihre Freundin stieß ein paar unverständliche Zischlaute aus, bevor sie das Zimmer verließ und die Tür äußerst geräuschvoll hinter sich zuzog.
Valerie entschied sich für das neue Kleid, das sie in Kingston erstanden hatte. Es war aus lachsfarbenem Taft und nach der neuen Mode körperbetont und enganliegend. Das
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