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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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mich einem alten Mann anzudienen. Wie konnten sie nur so grausam sein? Warum durfte ich mir nicht selbst aussuchen, wen ich heiraten wollte? Gut, das war in unseren Kreisen nicht üblich. Die Wahl des Ehemannes wurde immer mit den Eltern abgestimmt, aber Mutter und Vater waren stets anders und auf mein Glück bedacht gewesen.
    »Ich habe dich etwas gefragt«, wiederholte Vater, als befände ich mich in einem Verhör.
    Mutter murmelte immerzu. »O Gott, o Gott, was hast du getan?«
    Wenn sie mir nicht gerade offenbart hätte, dass sie todkrank war, hätte ich jetzt glatt behauptet, ich müsse Hauke heiraten. Doch was, wenn sie dann vor Aufregung tot umfiel? Das könnte ich mir im Leben nicht verzeihen.
    Nein, ich liebte sie und wollte sie nicht verlieren. Deshalb sagte ich die Wahrheit.
    »Es gibt einen jungen Mann, der mein Herz berührt, und ich habe vor ihm noch keinen kennengelernt, dessen Frau ich hätte werden wollen. Bei ihm kann ich es mir vorstellen. Er sieht sehr gut aus, sprüht vor Charme, ist ein Ehrenmann …«
    »Sein Name?«, fragte Vater in strengem Ton.
    Das machte mich wieder zornig. Anstatt sich anzuhören, was für einen guten Charakter mein Ausgewählter besaß, ging es ihm nur darum, ob er zu den Söhnen der feinen Gesellschaft der Stadt gehörte. Wenn er der Erbe eines der Gesamthandelshäuser war, würde er mir wohl zumindest sein Ohr leihen. Denn dann konnte Vater immerhin hoffen, dass ihm die Familie meines Zukünftigen aus der Klemme helfen und seine restlichen Schiffe übernehmen würde. Aber würde mich so ein reicher Erbe überhaupt noch wollen, wenn er erfuhr, dass die Reederei Asmussen dem Untergang geweiht war? Dieser Gedanke ließ mich wieder mutiger werden. Sollten die Eltern doch froh sein, dass mich überhaupt jemand zur Frau nehmen wollte! Außer dem alten reichen Mann von nebenan!
    »Kind, bitte sprich, wer hat sich dir ohne unser Wissen genähert?« Mutter schluchzte auf. Ihren Kummer konnte ich nicht länger ertragen.
    »Mutter, hör auf! Es ist nicht das, was du denkst. Wir haben einen Abend lang getanzt und einen Spaziergang gemacht. Er hat nicht mehr getan, als meine Hand genommen und sie an seine Lippen geführt.«
    Mutter fasste sich ans Herz. »O Gott, bin ich erleichtert. Ich dachte …«
    »Ich weiß, was du dachtest«, unterbrach ich sie hastig.
    »Gut, dann stellt der junge Mann ja keine Gefahr dar! Außerdem war er noch nicht bei mir, um um deine Hand anzuhalten«, stellte Vater befriedigt fest, als würde es sich um ein Geschäft handeln.
    Mir wurde zunehmend mulmig zumute. Was, wenn ich Haukes Verhalten missverstanden hatte und er mich gar nicht zu heiraten gedachte, nur weil er meine Hand genommen und mir tief in die Augen geblickt hatte? Was, wenn ich nichts weiter als ein verliebtes Gänschen war, das sich Liebe einbildete, wo nur eine gewisse Zuneigung bestand?
    Das alles durfte ich nicht durchblicken lassen. Dann hatte ich verloren. Ich musste so tun, als stünde Hauke Jessen im Begriff, um meine Hand anzuhalten. Ich holte tief Luft. Und wenn sie nun in Ohnmacht fallen würden, ich musste endlich seine Identität offenbaren.
    »Es ist Hauke Jessen.«
    Vater zupfte sich nervös am Bart, Dann erhellte sich seine Miene. »Das ist der Älteste von Peter Jessen, der sein Handelshaus …«
    »Nein, Vater«, schnitt ich ihm energisch das Wort ab. »Er gehört nicht zu den Söhnen der Flensburger feinen Gesellschaft. Hauke Jessen ist die rechte Hand vom Neffen jenes Mannes, mit dem ihr mich verkuppeln wollt …«
    »Kind, wie kannst du so etwas sagen?«, schnaubte Mutter, und ich befürchtete bereits, sie würde einen Hustenanfall erleiden.
    »Er stammt wie Christian Hensen aus Saint Croix und arbeitet für Pit Hensen in dessen Kontorhaus.«
    »Saint Croix? Aber das liegt auf den Westindischen Inseln! Dahin würde ich dich niemals gehen lassen!« Vater war aufgesprungen und starrte mich an wie einen Geist.
    Ich lief rot an. Hauke hatte bislang kein Wort über eine gemeinsame Zukunft verloren. Was wusste ich schon? Vielleicht wollte er hierbleiben? Schließlich stammte sein Vater aus Kopenhagen.
    »Er wird nicht dorthin zurückgehen. Er wird weiter für Pit Hensen arbeiten«, log ich.
    »Aber, mein Mädchen, du kannst keinen seiner Angestellten heiraten«, rief Mutter entsetzt aus.
    »Ich bin verloren«, jammerte Vater und ließ sich auf seinen Sessel fallen.
    Mutter bekam nun den Hustenanfall, vor dem ich mich die ganze Zeit über gefürchtet hatte. Und ich

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