Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
ließ sie kein gutes Haar an den Fullers.
»Danke, Misses Sullivan, Sie sprechen mir aus der Seele. Vielleicht sollten wir Sie als Übersetzerin nehmen, da mich Ihre Enkelin offenbar nicht verstehen will. Doch zunächst möchte ich mich bei den Damen in aller Form dafür entschuldigen, dass meine Mutter neulich offenbar keinen guten Tag hatte.«
»Pah, keinen guten Tag«, schnaubte Valerie verächtlich.
»Liebes, lass gut sein. Schließlich versucht Mister Fuller sich zu entschuldigen«, bemerkte Grandma, bevor sie sich an ihren Gast wandte: »Ich nehme an, Sie teilen die Auffassung Ihrer Frau Mutter und ihrer Vorfahren nicht, dass es eine Sünde sei, schwarzes und weißes Blut zu vermischen, nicht wahr?« Grandma lächelte, aber Valerie ahnte, dass es nicht echt war.
Valerie stockte der Atem. Was würde Mister Fuller auf diese Frage antworten, hatte Großmutter ihr doch eindringlich geschildert, wie der alte Hamilton, sein Großvater, einst darüber gedacht und offen gepredigt hatte?
Angespannt beobachtete sie ihren Besucher und musste feststellen, dass ihm alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war. Sag bloß nichts Falsches, betete Valerie, die ahnte, dass es sich um eine Fangfrage ihrer Großmutter handelte.
James schien derweil verzweifelt um eine Antwort zu ringen. »Ich … ich meine, diese Frage stellt sich doch in unseren Kreisen gar nicht mehr. Es … es kommt nicht mehr vor, dass … dass sich die Herren mit den, äh, schwarzen Sklavinnen vergnügen, die, äh, mit Folgen … dass, äh …«, stotterte er.
In diesem Moment tat er Valerie fast leid, denn ihre Großmutter maß ihn mit einem Blick, der, wenn er töten könnte, den armen Mister Fuller auf der Stelle umgebracht hätte.
»Ja, ja, man ist der Tradition einer so bedeutsamen Familie wie der Ihren schon verpflichtet, nicht wahr, Mister Fuller?«, bemerkte Großmutter zweideutig, und sie fügte kühl hinzu: »Entschuldigen Sie, aber ich darf mich jetzt zurückziehen.« Dann wandte sie sich an Valerie. »Mister Fuller möchte mit dir ausreiten. Wenn das auch deinem Wunsch entspricht, dann sei bitte zum Abendessen zurück. Ich habe mit dir zu reden.« Großmutters Ton war hart und unversöhnlich. Valerie fröstelte. Ehe sie etwas erwidern konnte, stolzierte Grandma bereits aus dem Zimmer. Hoch erhobenen Hauptes. Wie eine Rachegöttin.
»Ich glaube, das war nicht sehr geschickt, was ich da eben von mir gegeben habe«, sagte James entschuldigend.
Valerie funkelte ihn wütend an. »Nein, es war genau das, was meine Großmutter hören wollte, um mir zu zeigen, was für ein dummer Kerl Sie sind.«
»Dann gibt es also noch Hoffnung, dass Sie mich nicht dumm finden?«
Valerie rollte mit den Augen. Sie wollte ihm auf keinen Fall verraten, dass sie sogar ein gewisses Mitgefühl mit ihm hegte, weil er ihrer Großmutter arglos in die Falle gegangen war.
»Wollen wir jetzt ausreiten oder nicht?«, fragte sie unwirsch.
»Aber gern. Das würden Sie tun, nachdem Sie meiner Mutter ein Dorn im Auge sind und ich offenbar Ihrer Großmutter?«
»Ich wollte nicht mit Ihrer Mutter ausreiten, sondern mit Ihnen«, entgegnete Valerie in schroffem Ton. »Ich weiß natürlich nicht, was Ihre Verlobte dazu sagen wird,« fügte sie süffisant hinzu.
James Fuller bekam einen hochroten Kopf, während er hervorstieß: »Ich bin nicht verlobt!«
»Das wundert mich aber sehr. Ihre Verlobte schwärmte gerade gestern in höchsten Tönen von Ihnen!«
James packte Valerie bei den Schultern und zwang sie, ihn anzusehen. »Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Miss Sullivan, wie lange wollen Sie an mir auslassen, was andere an Fehlern begangen haben? Meine Mutter hat sich Ihnen gegenüber unmöglich benommen. Dafür entschuldige ich mich in aller Form. Und wenn Mary Tenson überall herumerzählt, dass ich sie heiraten werde, dann stimmt das nicht! Das wurde uns zwar seit unserer Kindheit prophezeit, aber das heißt doch noch lange nicht, dass ich es heute auch noch möchte …«
Valerie verzog keine Miene. »Wie schön, dass Sie sofort wissen, vom wem ich gerade rede. Ich habe den Namen Mary Tenson nämlich nicht erwähnt. Und Sie haben gerade selbst zugegeben, dass sie einander versprochen sind. Warum streiten Sie es andererseits so vehement ab? Stehen Sie doch dazu. Meinen Segen haben Sie!«
»Diese Verbindung zwischen den Handelshäusern Tenson und Fuller haben sich unsere Mütter ausgedacht. Mich hat man nicht gefragt.«
»Aber es dauert nicht einmal mehr zwanzig Jahre,
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