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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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Tiere versorgte, unter vorgehaltener Hand verraten hatte, dass sie früher von Misses Sullivan geritten worden war. Das konnte sich Valerie schwerlich vorstellen angesichts der Ängste, die Grandma äußerte, wenn sie, Valerie, auf einem Pferderücken saß.
    Black Beauty schien seinen alten Herren wiederzuerkennen. Der Hengst stellte die Ohren auf und wieherte. James strich ihm über den Hals.
    »Na, alter Junge«, flüsterte er. »Kannst du mir verzeihen?«
    Valerie beobachtete diese zärtliche Geste aus einiger Entfernung und konnte sich nicht helfen. So sehr, wie das Pferd seinem ehemaligen Herrn zu vertrauen schien, so wenig konnte sie sich seiner Ausstrahlung entziehen. Er wirkte grundehrlich, obwohl Valerie sich heftig dagegen sträubte, in ihm einen aufrechten Charakter zu erkennen.
    »Wo ist denn Ihr Pferd?«, fragte sie so sachlich wie möglich.
    »Ich habe es von Ihrem Diener auf die Weide bringen lassen«, erwiderte er.
    »Jerome ist nicht unser Diener. Grandma hat keine Diener. Jerome ist unser Kutscher und für die Pflege des Parks zuständig.«
    James war sichtlich irritiert. »Entschuldigen Sie, Miss Sullivan, aber in unseren Kreisen haben alle Diener. Das ist unter unseren Freunden so üblich …«
    »Unter Ihren vielleicht, unter meinen nicht!«, entgegnete Valerie in scharfem Ton. Sie wusste auch nicht genau, warum sie ihn ständig derart streng zurechtwies. Seine Schwester oder ihre anderen Freundinnen hatte sie nie in dieser Weise belehrt. Alle sprachen sie von ihren »Dienern« bis auf Grandma, die ihr von Kindesbeinen an beigebracht hatte, dass Jerome der Kutscher und Gärtner war, Asha der gute Geist des Hauses, und die Inderin Indira die Köchin. Die jungen schwarzen Frauen, die meist bis zur Eheschließung im Haus halfen, waren »die Mädchen«.
    »Miss Sullivan, Ihr Kutscher hat mein Pferd auf die Weide gebracht, und dort hole ich es jetzt ab. Ich sehe Sie unten am Ende der Palmenallee!«, erwiderte James steif.
    Valerie nahm sich vor, ein wenig freundlicher zu ihm zu sein. Schließlich konnte er nichts für die Haltung, die seit Generationen in seiner Familie vorherrschte. Wie sie inzwischen von Großmutter wusste, gehörte zumindest die Sippe seiner Mutter zu den alteingesessenen Familien der Insel. Keine Frage, dass sie Sklavenhalter gewesen waren. Und dass Mister Hamilton, James’ Großvater mütterlicherseits, zu den Schlimmsten gehört hatte, war von Grandma ebenfalls deutlich gemacht worden. Aber durfte sie James dafür verantwortlich machen?
    Als sie mit Black Beauty an der Palmenallee ankam, wartete er bereits auf sie. Sie rang sich zu einem Lächeln durch, das er erwiderte. Bevor sie losritten, warf Valerie einen Blick zurück. Auch wenn sie von hier aus nicht genau erkennen konnte, ob Grandma hinter ihrem Fenster stand und sie beobachtete – sie war sich dessen so gut wie sicher.
    »Wohin reiten wir?«, fragte sie freundlich.
    »Heißt das, Sie wollen tatsächlich mir die Entscheidung überlassen?«, gab er frotzelnd zurück.
    Valerie zuckte die Achseln. »Ich glaube, es wäre besser, wenn einer von uns bestimmte, denn sonst würden wir beide wahrscheinlich an jeder Kreuzung debattieren, ob wir nach links oder rechts reiten.«
    »Und Sie wollen mir wirklich den Vortritt lassen?«, fragte James belustigt.
    »Sagen wir mal so: Ich werde mir einmal anschauen, wohin Sie mich führen. Und wenn es mir nicht gefällt, kann ich das Kommando immer noch übernehmen«, lachte Valerie.
    James erwiderte ihr Lachen. Valerie konnte nicht umhin, festzustellen, dass ihr seine Art zu lachen gefiel. Das dachte sie aber auch nur so lange, bis sie ihn sagen hörte: »Was mache ich hier bloß mit so einer widerborstigen Person wie Ihnen? Mary Tenson würde immerzu säuseln: Ja, James. Wie du willst, James …«
    »Dann reiten Sie eben mit Misses Tenson aus!«, schäumte Valerie, was sie in demselben Augenblick bereute, denn natürlich war es ein Scherz gewesen, doch da hatte sie dem Pferd bereits die Sporen gegeben. Ohne sich noch einmal umzudrehen, nahm sie den Pfad hinunter zum Strand. Sie wusste nicht, ob er ihr folgte, aber sie war zu stolz, um sich zu vergewissern. Stattdessen preschte sie temperamentvoll am Strand entlang, teils im flachen grünen Wasser, dass es nur so spritzte. Erst als das Ende dieser Bucht in Sicht war und sie gezwungen war, einen schmalen Pfad bergan zu nehmen, gab sie das Kommando zum Halt. Dabei vergaß sie, dass Black Beauty aufs Wort gehorchte und auf der Stelle

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