Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
Mannes, den ich so sehr liebte. Spring auf und kämpfe!, dachte ich bei mir, aber er sackte nur noch tiefer in sich zusammen. Seine Stimme klang kläglich. Ich verspürte den dringenden Impuls, in Vaters Zimmer zu stürmen und Haukes Verteidigung zu übernehmen. Doch ich beherrschte mich. Sonst würde ich nie erfahren, wie Hauke seinen Mann stand.
»Herr Asmussen, bitte, ich bin zwar nicht der Besitzer eines Gesamthandelshauses, aber ich habe einen guten Stand als rechte Hand von Christian Hensen, und wenn wir zurück in Christiansted sind, werde ich sein Prokurist …«
»Das ist ja wohl nicht Ihr Ernst, junger Mann, dass Sie meine Tochter auf die westindischen Inseln verschleppen wollen? Nein, diese Flausen schlagen Sie sich mal schnell aus dem Kopf! Meinen Segen haben Sie nicht«, donnerte Vater.
Erst in diesem Moment begriff ich, dass sich meine erste Frage an Hauke damit zu meiner vollen Zufriedenheit geklärt hatte. Er hatte tatsächlich bei Vater um meine Hand angehalten. Jetzt musste er es nur noch schaffen, sich von Vaters Gekläffe nicht entmutigen lassen. Doch was war das? Er stand auf und machte sich zum Gehen bereit.
Ich konnte gerade noch einen Schritt zur Seite machen, damit er mich nicht entdeckte. Er steuerte genau auf mich zu. Ich hielt die Luft an. Schade, ich konnte nun nichts mehr sehen. Nur hören.
»Ich komme wieder, Herr Asmussen, und dann bringe ich Christian Hensen als meinen Fürsprecher mit. So schnell gebe ich die Frau, die ich liebe, nicht auf!« Das klang schon kämpferischer. Gut gebrüllt, Löwe, dachte ich, bevor ich mit einem Satz im Nachbarzimmer verschwand. Ich eilte zum Fenster und sah Hauke, wie er durch unseren Park stürmte. Sollte ich rufen? Nein, die Gefahr, dass mich jemand hörte, war zu groß. So lief ich einfach los, um ihn einzuholen. Ich hatte Glück. Weder Vater noch unsere Köchin oder das Mädchen begegneten mir bei meiner Flucht aus dem elterlichen Haus. Ich war völlig außer Atem, als ich Hauke endlich bei der Schiffsbrücke einholte. Ich war ihm durch die halbe Stadt gefolgt, stets bemüht, nicht allzu ungestüm zu rennen. Denn das würde man mit Sicherheit Vater zutragen, wenn seine Tochter wie ein ungezogener Bengel durch die Stadt stürmte. Kurz vor dem Kontorhaus und dem Speicher der Hensens war er endlich in Rufweite.
»Hauke«, keuchte ich verzweifelt. »Hauke, so warte!«
Er wandte sich um und musterte mich wie einen Geist.
»Sie?«
»Ja, ich«, erwiderte ich unwirsch. »Können wir irgendwo ungestört reden?«
Er zuckte die Achseln. »Das Beste wird sein, Sie begleiten mich in mein Kontor.«
»Wie Sie wollen. Hauptsache, Sie leihen mir Ihr Ohr. War es sehr schlimm bei Vater?«
»Sie wissen … ich meine, dass ich … ich denke, also ich …«
Ich legte ihm zärtlich den Finger auf den Mund. Er sah mich mit stummer Verwunderung an.
»Ich für meinen Teil will, und ich habe auch schon eine Idee, wie wir es bewerkstelligen können«, erklärte ich dem verblüfften Mann.
Vor dem Handelshaus Hensen angekommen, folgte ich ihm die Stiege in den ersten Stock hinauf. Er machte mir ein Zeichen, dass er sich erst einmal vergewissern wollte, ob wir allein waren. Nachdem er einen Blick in das Büro geworfen hatte, winkte er mich zu sich und ließ mich eintreten, bevor er die Tür hinter uns schloss.
Wir standen uns eine Sekunde wie Fremde gegenüber, und ich verspürte das dringende Bedürfnis, ihn zu umarmen. Doch ich wollte nicht vergessen, dass ich die wohlerzogene Tochter eines Reeders war. Also blieb ich wie angewurzelt stehen und wartete. Für meinen Geschmack dauerte es entschieden zu lange, bis er aufwachte und die Initiative ergriff. Er nahm meine Hände und raunte bewegt: »Sie würden wirklich meine Frau werden wollen?«
Eigentlich hatte ich ihm das in meiner stürmischen Art bereits unmissverständlich zu verstehen gegeben, aber ich nickte damenhaft. Er trat einen Schritt auf mich zu, so als könne er sein Glück gar nicht fassen, nahm mein Gesicht in beide Hände und bedeckte es mit Küssen.
Dann musterte er mich, als wäre ich eine Erscheinung und keine Frau aus Fleisch und Blut. »Was tun wir nur, wenn Ihr Vater uns seine Zustimmung verweigert?«
»Er wird Sie Ihnen in jedem Fall verweigern«, entgegnete ich ungerührt. »Wir müssen unser Schicksal selbst in die Hand nehmen!«
»Für Sie tue ich alles!«, stieß er entschlossen hervor.
»Gut, dann hören Sie mir zu!« Ich flüsterte ihm meinen Plan ins Ohr.
Er wurde
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