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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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kalkweiß. »Ich soll Sie entführen und mit Ihnen auf ein Schiff nach den Westindischen Inseln gehen?«, fragte er sichtlich erschrocken.
    »Es gibt keine andere Möglichkeit«, erklärte ich ihm eindringlich. »Mein Vater will, dass ich Ihren Arbeitgeber, den Handelsherren Hensen, heirate.«
    »Aber der ist doppelt so alt wie Sie«, entfuhr es ihm entsetzt.
    »Genau, deshalb müssen Sie mich um jeden Preis vor dieser Ehe retten. Wenn wir eines Tages als Mann und Frau aus Westindien zurückkehren, wird er mich in seine Arme schließen und erleichtert sein, dass ich wohlbehalten zurück bin.«
    »Ich verstehe«, murmelte er, doch statt der Freude auf das bevorstehende Abenteuer stand die nackte Angst in seinen Augen geschrieben. Er ließ sich auf einen Kontorstuhl fallen.
    »Und wie erfahre ich, dass es so weit ist?«, fragte er schwach.
    »An dem Tag, an dem meine arme Mutter von uns geht, werde ich Ihnen über unser Hausmädchen Anna eine Nachricht zukommen lassen. Um Mitternacht dieses Unglückstages werde ich im Park auf Sie warten. Und zwar unter einem Apfelbaum. Sie können ihn sehen, wenn Sie am Ende der Ulmenallee angekommen sind, dann halten Sie sich links. Ich trage ein Licht bei mir, um Ihnen den richtigen Weg zu leuchten.«
    »Sie haben wohl an alles gedacht«, bemerkte er bewundernd. Ich schenkte ihm mein schönstes Lächeln. Er stand auf, machte einen Schritt auf mich zu und wollte mich umarmen, doch eine Stimme an der Tür ließ ihn zurückweichen.
    »O, welch hoher Besuch in unserer bescheidenen Hütte!«, rief Christian Hensen belustigt aus. »Das junge Fräulein Asmussen. Welche Ehre. Da wird sich mein Onkel aber besonders freuen. Wie ich hörte, hat er Ihren Eltern kürzlich die Aufwartung gemacht. Eine gute Wahl, wirklich!«
    Ich konnte mir nicht helfen. Kein Wort glaubte ich diesem verschlagenen Kerl! Was sollte er wohl daran gut finden, dass sein Onkel im Begriff stand, einen Nachkommen zu planen, der Christian Konkurrenz um sein Erbe machen würde? Was er wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass von mir keinerlei Gefahr ausging?
    Hauke war noch bleicher geworden. »Sie, also wir … sie wird deinen Onkel niemals heiraten. Nur damit du, damit du es weißt!«, stammelte er.
    »So?« Verwundert ließ Christian seinen prüfenden Blick zwischen Hauke und mir hin und her schweifen, als erwartete er eine Erklärung.
    Ich aber wollte um jeden Preis verhindern, dass Hauke ihn womöglich in unsere Pläne einweihte. »Ob Sie mich für einen Augenblick nach draußen begleiten könnten?«, fragte ich ihn mit Nachdruck.
    »Diesem Ansinnen, wertes Fräulein Asmussen, müsste ich allerdings aufs Schärfste widersprechen«, mischte sich Christian ein. »Ich brauche meine rechte Hand jetzt. Wir haben die Ladung eines Schiffes zu planen!«
    Hauke würde sich von diesem aufgeblasenen Kerl doch nicht etwa an einem Gespräch unter vier Augen mit mir hindern lassen?
    Da hörte ich ihn bereits bedauernd erklären: »Sie hören es ja selbst. Ich werde dringend im Kontor gebraucht. Aber ich verspreche Ihnen, es wird alles so geschehen, wie Sie es wünschen, Fräulein Asmussen …« Er unterbrach sich erst, als ich ihm einen warnenden Blick zuwarf. War er wirklich so einfältig zu glauben, dass Christian Hensen ihn nicht, sobald ich den Fuß aus dem Zimmer gesetzt hatte, nach allen Regeln der Kunst ausfragen würde?
    Mit einem unguten Gefühl im Bauch stieg ich die Stufen hinunter, als ich am Fuß der Treppe den reichen Kaufmann erblickte und erschrak.
    »Guten Tag, Herr Hensen«, brachte ich trocken heraus.
    Über sein Gesicht huschte ein Lächeln.
    »Was für eine angenehme Überraschung«, sagte er. »Wollten Sie zu mir?«
    Was sollte ich tun? Ich konnte ihm ja schlecht anvertrauen, dass ich soeben die Einzelheiten meiner Entführung besprochen hatte. Ich nickte.
    »Und was führt Sie zu mir?« Seine Stimme bekam einen weichen Klang. Und auch aus seinen Augen sprach echte Zuneigung. Er tat mir fest ein wenig leid in diesem Moment. Und wenn man ihn so aus der Nähe anschaute, war er wirklich ein stattlicher Mann, dem man sein Alter nicht ansah. Trotzdem war er mein Feind und Mitleid ganz und gar nicht angebracht.
    Ich rang mich zu einem falschen Lächeln durch. »Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass es meiner Mutter sehr schlecht geht. Und wie Sie sicher wissen, habe ich meinen Eltern versprochen, mich zu Ihrem Antrag gleich zu äußern, wenn sie sterben sollte. Aber was auch immer geschieht, geben Sie mir alle Zeit

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