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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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ihr nun und zeigte auf einen Unterstand, in dessen Schatten sich ein Rad drehte. Auch hier herrschte reger Betrieb. Einige luden Zuckerrohr von einem Karren, wieder andere standen unter dem Rad an einer Walze und stopften das Zuckerrohr hinein.
    »Das ist eine gefährliche Arbeit«, raunte Grandma ihr zu. »Es hat früher schlimme Unfälle in der Zuckermühle gegeben, aber jetzt ist einer meiner Männer nur dazu da, zu überprüfen, dass die Leute nicht zu nahe an die Walze gehen und nicht betrunken sind.«
    »Misses Sullivan, welch seltener Besuch!«, ertönte da eine tiefe Stimme. Valerie fuhr herum und blickte in ein Paar brauner Augen, die trotz der warmen Farbe etwas Kühles ausstrahlten. Sie gehörten einem hochgewachsenen Mann mit etwas dunklerer Haut als sie. Sein Haar war dunkel und gelockt. Er sprach das Englisch, das Valerie in der Schule gelernt hatte. Nicht die Kreolsprache, die von den meisten Schwarzen und Mischlingen gesprochen wurde. Valerie schätzte den Mann höchstens auf  Mitte zwanzig. Er trug ein weißes Hemd, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte, sodass seine muskulösen Unterarme sichtbar wurden.
    »Das ist meine Enkelin, Miss Valerie, das ist Mister Gerald Franklin, der Verwalter der Plantage. Ihr werdet euch noch näher kennenlernen, denn wenn du, mein Kind, der Kopf des Unternehmens bist, halte dich immer an Mister Gerald, wenn du etwas über den Rum wissen willst. Er ist nämlich der Enkel des Zauberers und Hüter der Destille.«
    Mister Gerald reichte Valerie die Hand, die sie zögernd ergriff und dann hastig losließ, als hätte sie sich verbrannt. Ihr war tatsächlich durch und durch heiß geworden, denn sein Händedruck war kräftig und auf eine merkwürdige Weise intensiv. Er hatte etwas Animalisches an sich, das Valerie zugleich abstieß und anzog.
    Hanne aber schien davon nichts zu bemerken, denn sie trat an die Rinne, um die Qualität des ausgepressten Safts zu begutachten, der von hier in das Zuckerhaus floss.
    »Sie will prüfen, ob man das Zuckerrohr sofort verarbeitet hat«, erklärte Mister Gerald Valerie, als Grandma nun an dem Saft schnupperte. »Wenn man das gekappte Zuckerrohr nicht an demselben Tag, an dem man es geerntet hat, durch die Mühle dreht, verdirbt es. Und das würde Ihre Großmutter riechen.«
    Valerie konnte sich nicht helfen. Sie mochte seine Stimme, aber sie traute sich kaum, ihn anzusehen. Er hatte eine Ausstrahlung, der sie sich kaum entziehen konnte. Gerade diese leichte Arroganz in seinen Augen zog sie magisch an. Deshalb starrte sie stur hinüber zur Zuckermühle.
    »Kommen Sie, ich zeige Ihnen das Zuckerhaus von innen«, sagte er und berührte sie leicht am Arm, um ihr zu signalisieren, dass sie ihm folgen sollte. Wie ein Blitz durchfuhr es ihren Körper. Am liebsten hätte sie die Flucht ergriffen, aber sie folgte ihm in das Haus aus Stein, in dem es entsetzlich stickig war. Kein Wunder, denn hier standen singende Frauen an Kesseln und dickten den Saft ein. Ein Duft von süßlicher Schwere lag über dem Raum.
    Valerie fragte sich, wo Grandma blieb. Es war ihr unangenehm, auf Tuchfühlung mit dem zweifelsohne anziehenden Mann in dieser merkwürdig sinnlichen Atmosphäre zu sein. Seine flirrende Männlichkeit zog sie an und stieß sie gleichzeitig ab. Sie ahnte, was es war. Er besaß etwas Animalisches. Wie ein Tiger in der Brunftzeit, dachte sie verächtlich.
    Sie starrte zur Tür und atmete erleichtert auf, als Grandmas blonder Lockenschopf sichtbar wurde.
    »Haben Sie ihr alles gezeigt, Gerald?«, fragte sie.
    »Nein, die Fässer haben wir noch nicht begutachtet«, erwiderte Gerald.
    »Gut, dann erlöse ich Sie jetzt. Ich setze die Führung fort.« Hanne nahm Valeries Arm und zog sie zu einer anderen Ecke des Zuckerhauses.
    »Auf Wiedersehen, Miss Valerie. Schön, Sie kennengelernt zu haben. Ich verstehe, warum Ihre Großmutter Sie uns so lange vorenthalten hat. So ein Juwel zeigt man nicht überall herum!« Seine Stimme klang rau und warm.
    Valerie warf ihm einen Blick zu. »Die Freude ist ganz auf meiner Seite«, erwiderte sie steif und konnte doch nicht umhin, einen Moment länger bei seinen kühl taxierenden Augen zu verweilen, als sie wollte.
    Der Mann ist gefährlich, dachte sie, während ihr ein kalter Schauer über den Rücken rieselte. Er sah sie an, als würde er nur darauf warten, sie in seine Höhle zu schleppen, was in ihr äußerst gemischte Gefühle auslöste.
    »Was ist das für ein Kerl, und warum hast du ihn noch nie zuvor

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