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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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kraulen zu lassen.
    Die Stille war unheimlich. Ich wünschte mir von Herzen, ich würde endlich Haukes herannahende Schritte vernehmen, aber nichts dergleichen geschah. Ich weiß nicht, wie lange ich gebannt darauf gewartet habe. War es eine halbe Stunde oder mehr? Ich vermag es nicht zu sagen. Wenn ich wenigstens ungesehen ins Haus zurückgekehrt wäre, aber es kam anders. Ich wurde so müde, dass mir meine Augen zugefallen waren. Eine feuchte Hundeschnauze weckte mich. Da war er wieder, mein Freund, aber dieses Mal fing er an zu bellen. Und er gab erst Ruhe, als sich eine Gestalt näherte. Sofort erkannte ich, dass es nicht Hauke Jessen war. Als mir dann klar wurde, wer da auf mich zukam, fuhr mir der Schreck durch alle Glieder. Er war der Letzte, der mich hier draußen hätte finden dürfen!
    »Ich wusste doch, dass er etwas aufgespürt hat. Er hat einfach keine Ruhe gegeben.« Pit Hensen tätschelte seinem Hund den Kopf, bevor er sich neben mich auf die Bank setzte. Ich wollte reden, aber etwas schnürte mir die Kehle zu.
    Mit einem durchdringenden Blick auf mein Köfferchen sagte Pit Hensen ganz ruhig. »Sie wollten fliehen, nicht wahr?«
    Ich presste die Lippen aufeinander. Kein Wort würde ich ihm verraten! Er war mein Feind!
    »Welcher Dummkopf hat Sie denn versetzt? War es dieser Hauke Jessen?«
    Ich konnte nicht länger schweigen. In meinem Inneren tobte ein mörderischer Aufruhr. Ich war unendlich wütend, dass er sein Wort nicht gehalten hatte. Natürlich suchte ich nach allen möglichen Entschuldigungen, aber mir fiel keine ein.
    »Kommen Sie! Bringen Sie mich zu meinem Vater! Petzen Sie ihm, dass ich fortlaufen wollte! Aber ich schwöre Ihnen, ich lasse mich von niemandem zwingen, Sie zu heiraten.«
    »Ist der Gedanke, meine Frau zu werden, so schlimm für Sie?« Er klang betroffen.
    »Schlimmer!«, fauchte ich.
    »Dann entschuldigen Sie bitte. Wenn ich geahnt habe, dass ich Ihnen derart zuwider bin, ich hätte meinen Antrag zurückgezogen. Dass Sie mich nicht besonders mögen, habe ich schon gemerkt, aber damit wir uns richtig verstehen, nein, ich möchte Sie nicht um jeden Preis. Eine Ehefrau, die mich verabscheut, ist das Letzte, was mein Herz begehrt. « Er erhob sich.
    »Aber, wo wollen Sie denn hin? Sie können jetzt nicht zu meinem Vater gehen! Er schläft. Meine Mutter ist heute Nachmittag gestorben.« Ich war außer mir und fest davon überzeugt, dass er Vater brühwarm von meinem Plan berichten wollte.
    »Das tut mir aufrichtig leid«, erwiderte er förmlich. »Keine Sorge, Ihr Vater wird nichts von mir erfahren. Nach der Beerdigung werde ich ihn aufsuchen und ihm mitteilen, dass ich eine andere Braut gefunden habe, und Fürsprache halten, dass Sie Ihren Hauke Jessen heiraten können. Ich verstehe zwar nicht, was Sie an dem jungen Mann finden, aber das muss ich ja auch nicht. Jedenfalls werde ich ihn morgen früh beiseitenehmen und ihn auffordern, Ihnen eine Erklärung für sein unverständliches Verhalten abzugeben. Wenn er schon eine bezaubernde Frau wie Sie entführen darf, dann soll er das, verdammt noch mal, auch richtig machen.« Er pfiff nach seinem Hund und verschwand in Richtung seines Hauses. »Versager!«, hörte ich ihn noch zischen.
    Der Morgen graut, und ich habe, nachdem ich meinem Tagebuch all das Erlebte anvertraute, den Rest der Nacht am offenen Fenster verbracht. Gerade wird es hell. Aber nicht in meinem Herzen. Wie konnte Hauke mir das nur antun? Es muss eine Entschuldigung geben. Allein, mir fällt beim allerbesten Willen keine ein!

5
Montego Bay, Jamaika, März 1883
    B ehutsam bewegte Valerie ihre Hand. Sie tat nicht mehr weh, und die Schwellung war beinahe gänzlich verschwunden. Sie beschloss, sich auf den Weg zum Doktor zu machen, um ihr Pferd abzuholen. Der Sturz lag erst zwei Tage zurück. Zwei schrecklich lange Tage. Sie hasste es, nichts zu tun. Ihre einzige Ablenkung war Grandmas Tagebuch gewesen, aber davon schaffte sie täglich nur ein gewisses Pensum. Mehr konnte sie nicht verkraften, denn mehr als einmal wurde sie beim Lesen an ihre eigene Situation erinnert. James und sie hatten beide Familien gegen sich! Doch wie immer, wenn sie bemerkte, wie James sich in ihre Gedanken schlich, redete sie sich energisch ein, dass sie sich ja gar nicht für den jungen Mann interessierte. Umso mehr ärgerte es sie, dass sie die letzten zwei Nächte von ihm geträumt hatte. Beide Male hatte er sie im Traum geküsst. Und das Schlimme war, sie hatte seine Küsse

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