Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
setzen. Misses Fullers Miene wurde daraufhin noch säuerlicher.
Für Valerie blieb nur der Platz genau gegenüber von James. Als sie ihn mit einem Kopfnicken knapp grüßte, blieb ihr Blick an Marys Hand hängen, die sie in diesem Moment provozierend vertraulich auf seinen Unterarm legte.
»Schön, dich wiederzusehen, Valerie!« Mit dieser lauten Begrüßung riss Cecily Valerie aus ihren Gedanken. Hastig löste sie den Blick von Marys Hand und erwiderte ihrer einstigen guten Freundin mit gespielter Unbeschwertheit: »Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Wir haben uns ja lange nicht gesehen.«
»Das letzte Mal bei mir, als ich euch von meiner bevorstehenden Verlobung mit James berichtet habe«, mischte sich Mary ein und musterte Valerie triumphierend.
»Dann haben Grandma und ich wohl eure Feier gestört. Meinen allerherzlichsten Glückwunsch.« Das klang bitter. Immerhin wurde sie Zeugin, wie James sich unauffällig von Marys Hand befreite. Er sah Valerie durchdringend an, wollte etwas sagen, doch seine Mutter kam ihm zuvor.
»Ja, liebe Miss Sullivan, Sie dürfen gratulieren, denn mein Sohn hat heute endlich um Marys Hand angehalten.« Sie erhob ihr Glas. »Und daraufhin sollten wir beide anstoßen.« Misses Fuller fixierte Valerie.
Valerie suchte Grandmas Blick, aber ihre Großmutter war in ein angeregtes Gespräch mit Mister Fuller vertieft. Obwohl Misses Fuller ihr Glas Valerie immer noch fordernd entgegenhielt, ignorierte Valerie sie und vertiefte sich in die Speisekarte. In Wirklichkeit diente die ihr nur als Schutzschild gegen James’ Mutter, die es darauf angelegt zu haben schien, sie zu quälen. Ob sie ahnte, dass es ihr ganz und gar nicht gleichgültig war, dass ihr Sohn Mary Tenson zu heiraten gedachte?
»Ich möchte noch einmal das Glas erheben auf die Verlobung unserer Kinder Mary und James«, schallte Misses Fullers Stimme laut über den Tisch. Alle hoben ihr Glas. Bis auf Valerie und … sie konnte es kaum glauben, denn auch James rührte seinen Champagnerkelch nicht an. Stattdessen bat er Mary, sie kurz unter vier Augen sprechen zu dürfen. Ungeachtet der bitterbösen Blicke seiner Mutter und Misses Tensons Bemerkung, was das denn solle, verließ er das Restaurant. Mary zögerte, doch dann erhob sie sich ebenfalls, wenn auch nicht, ohne Valerie hasserfüllt anzusehen. »Cecily hat mir alles erzählt. Du willst ihn mir ausspannen, aber das schaffst du nicht, Valerie Sullivan!«, zischte sie, bevor sie ihm nach draußen folgte.
Es war nur für Valeries Ohren bestimmt gewesen, aber Misses Fuller schien es verstanden zu haben. »Mein liebes Kind, wenn du meinem Sohn den Kopf verdrehst, dann gnade dir Gott. Du wirst mir nicht dazwischenpfuschen, nicht du M–«, drohte sie ihr unverhohlen.
Valerie aber hörte ihr gar nicht mehr zu, sondern stand hastig auf. »Grandma, ich halte das keine Sekunde länger aus. Iss du nur in Ruhe. Ich hole mein Pferd vom Doktor und reite nach Hause! Die Luft an diesem Tisch ist zum Schneiden!«, sagte sie laut und vernehmlich. Aller Augen waren auf sie gerichtet, aber sie kümmerte sich nicht darum. Sie setzte eine abweisende Miene auf und stolzierte hocherhobenen Hauptes an der Tischgesellschaft vorbei in Richtung Ausgang.
Vor der Tür hielt sie inne. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Vorsichtig blickte sie erst nach links und nach rechts. Auf keinen Fall wollte sie Mary und James in die Arme laufen.
Gerade als Valerie sich nach ein paar Schritten in Sicherheit wähnte, kamen ihr die beiden entgegen. James gestikulierte wild, während Mary laut schluchzte. Noch hatten die beiden sie nicht entdeckt. Es blieb ihr Zeit, sich hinter einer Palme zu verstecken und mit pochendem Herzen darauf zu warten, dass sie vorbeigingen. Unfreiwillig wurde sie zur Lauscherin.
»Ich mag dich wirklich, aber sieh mal, wir sind nur gute Freunde. Du weißt genau, dass Mutter mich unter einem Vorwand hergelockt hat und dass ich dir keinen Antrag gemacht habe.« Das waren James’ Worte, denen Mary mit schriller Stimme widersprach. »Doch, das hast du!«
»Aber da waren wir Kinder. Das zählt nicht. Ich, ich habe doch nicht gewusst, dass ich mich …«, stammelte er.
»Und du bildest dir ein, mit diesem Mulattenkind glücklicher zu werden, nur weil dein Herz bei seinem Anblick schneller schlägt. So etwas vergeht, aber was, wenn deine Kinder schwarz werden? Das erlaubt deine Mutter niemals.«
Valerie stockte der Atem. Die beiden stritten sich ihretwegen, und James hatte eben
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