Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
Wand, als er in mein Zimmer trat, und er hatte noch kein Wort hervorgebracht, als bereits aufgeregte Stimmen aus der Diele nach oben drangen.
»Wer ist das?«, fragte ich, obwohl ich es bereits ahnte. Das waren die Häscher, die mich suchten.
»Lass mich nur machen!«, sagte er und tat so, als würde ihn das alles gar nicht tangieren.
Meine Neugier trieb mich schließlich vor die Tür. Durch die Stäbe des Treppengeländers konnte ich bis nach unten sehen. Die späten Besucher waren Christian und Per, ganz offensichtlich auf der Suche nach mir. Auf meinem Lauschposten war jedes Wort zu verstehen.
»Hast du die Mörderin Hanne Hensen versteckt?«, schnauzte Per Heinrich an.
»Wie oft soll ich noch sagen, dass es nicht bewiesen ist?«, gab mein Schwager empört zurück.
»Wir durchsuchen das Haus!«, brüllte Christian. »Denn drüben ist sie nicht. Wir haben jeden Winkel durchforstet!«
Ich zuckte zusammen. Wie gut, dass ich mein Haus schnellstens verlassen hatte!
»O Gott, o Gott, was ist geschehen? Was hat meine Schwester wieder angestellt? Ich habe geahnt, dass da etwas faul ist. Aber sie soll nach Hause zu ihrem Mann gehen und nicht …«, hörte ich Lene zetern.
»Du gehst jetzt in den Salon und sorgst dafür, dass Vater nichts mitbekommt! Hast du verstanden?«, unterbrach Heinrich sie harsch.
Meine Knie begannen zu zittern, doch ich vertraute Heinrich ganz und gar. Ich war mir sicher, er würde niemals zulassen, dass man mich aus dem Haus schleppte. Meine Sorge galt jetzt Vater. Der Lärm konnte ihm kaum verborgen bleiben. Diese Aufregung würde seiner Gesundheit alles andere als zuträglich sein! Da wollte mir auch schon das Herz schier stehen bleiben: Hilflos musste ich mit anhören, wie Per ihn anbrüllte: »Wo hast du deine Tochter versteckt, Carl Asmussen? Wenn du nicht willst, dass man dich der Mittäterschaft oder Anstiftung zum Mord vor Gericht stellt, sag uns, wo sie ist!«
Als ich Vater nicht antworten und die Männer stattdessen alle aufgeregt durcheinanderreden hörte, verspürte ich den Impuls, meine Vorsicht zu vergessen und aus meinem Versteck zu springen. Ich atmete tief durch, um mich zu beruhigen. Mit Vater war etwas geschehen. Keine Frage. Er hätte dem frischgebackenen Polizeidirektor schon die passende Antwort gegeben, wenn er … Ich wollte mich gerade zu erkennen geben, da hörte ich Heinrich wütend schreien: »Raus, ihr beiden! Verlasst sofort das Haus. Oder wollt ihr ihn umbringen?«
»Nicht ohne Hanne Hensen!«, widersprach Christian energisch.
»Wir gehen!«, befahl Per. »Aber wir kommen wieder! Und wenn ihr uns Hanne Asmussen nicht übergebt, dann lassen wir das Haus durchsuchen!«
Ich hörte Christian dem Polizeidirektor aufs Heftigste widersprechen, aber ich verstand den genauen Wortlaut nicht. Stattdessen hörte ich meine Schwester laut zetern: »Vater! Vater! Ich habe es doch geahnt. Hanne bringt nichts als Unglück über die ganze Familie. Dieses widerspenstige Ding. Vater!«
Ich hätte es wohl riskiert, dass Per und Christian mich mitgenommen hätten und wäre die Treppe hinuntergeeilt, wenn ich nicht Heinrichs Stimme vernommen hätte. »Bis morgen, die Herren!« Das klang wie ein Befehl, der keinen Widerspruch gestattete. Das schienen auch die beiden Besucher zu begreifen, was die laut ins Schloss fallende Haustür bewies.
Jetzt hielt mich nichts mehr. Ich eilte die Treppen hinunter, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Unten in der Diele lag mein Vater und neben ihm hockte meine heulende Schwester. Als sie mich sah, funkelte sie mich vorwurfsvoll an. Ich aber ignorierte sie und beugte mich über Vater. Er lag wie leblos da. Ich befürchtete schon, er sei tot, aber in dem Augenblick öffnete er die Augen und versuchte zu lächeln. »Vater, Vater, was ist geschehen?«, rief ich.
»Mein Herz will schon länger nicht mehr so, wie ich es will«, stöhnte er. »Kind, was ist los? Was wollten die Kerle hier?«
Ich kämpfte mit mir. Es war kein guter Moment, Vater die Wahrheit zu sagen, doch er sah mich durchdringend an.
»Ja, was hast du getan?«, zeterte Lene dazwischen. »Nun sag schon, was du wieder angestellt hast!«
Ich würdigte meine Schwester keines Blickes, sondern nahm Vaters Hand. Er sah mich immer noch prüfend an.
»Jemand hat Pit umgebracht«, flüsterte ich in der Hoffnung, dass Lene es nicht verstehen würde, aber sie besaß ein gutes Gehör.
»O nein, o nein!«, heulte sie.
Ich fuhr wie der Blitz herum und herrschte sie an. »Halt endlich
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