Das Haus auf den Klippen
Haussuchungsbefehl, um Zeug zu durchstöbern, das für die Müllabfuhr bestimmt ist, dachte Nat, während er seinen Wagen parkte.
Ein Müllbehälter enthielt neben Dosen und Flaschen zur Wiederverwertung einige spitze Glasscherben. In dem anderen
Müllsack steckte normaler Abfall verschiedenster Art, darunter
auch ein Rahmen, in dem noch Reste des zerbrochenen Glases
und ein Bild, das kreuz und quer zerkratzt war, steckten. Na,
sieh mal einer an, dachte Nat. Da war also die Originalluftaufnahme vom Remember House, die Version, die ursprünglich in
der Auslage der Immobilienagentur gewesen war. Selbst noch in
ihrem verstümmelten Zustand war die Aufnahme schärfer als
die Kopie, die Marge ihm dort im Büro gezeigt hatte. Aber der
Abschnitt mit dem Boot war herausgerissen worden. Warum
nur? rätselte Nat. Warum hat er versucht, das Bild zu zerstören?
Warum nicht einfach dalassen, wenn er keine Lust hatte, sich
weiter damit zu belasten? Und weshalb hat er das Boot rausgerissen? Und warum hat es auch in der anderen Kopie der Aufnahme gefehlt?
Er legte das entstellte Bild in den Kofferraum seines Wagens
und fuhr zur Main Street. Elaine Atkins schloß gerade die Tür
zu ihrer Agentur auf. Sie begrüßte ihn freundlich. »Ich hab das
Bild, das Sie wollten. Ich kann es rahmen lassen, wenn Sie
möchten.«
»Nein, das ist nicht nötig«, erwiderte Nat rasch. »Ich nehm’s
gleich mit. Deb möchte sich gern selbst um den Rahmen kümmern.« Er griff nach der Aufnahme. Er betrachtete sie. »Großartig! Das nenne ich eine hervorragende Fotografie!«
»Finde ich auch. Ein Foto aus der Vogelperspektive kann ein
echtes Verkaufsargument sein, aber das hier ist schon für sich
genommen wunderbar.«
»In unserer Behörde benötigen wir manchmal Luftaufnahmen.
Haben Sie jemand aus der Gegend hier dafür?«
»Ja, Walter Orr aus Orleans.«
Nat musterte weiterhin die Aufnahme. Es war die gleiche
Version wie die, welche Marge drei Tage zuvor in das Schaufenster gestellt hatte. Nat sagte: »Täusche ich mich, oder war auf
dem Bild nicht, als es in der Auslage war, auch ein Boot drauf?«
»Das Negativ wurde beschädigt«, erwiderte Elaine rasch. »Ich
mußte es ein bißchen retuschieren.«
Er bemerkte, daß sie ein wenig rot wurde. Und warum bist du
so nervös? überlegte er.
»Was schulde ich Ihnen?« erkundigte er sich.
»Nichts. Ich entwickle meine Bilder selbst.«
»Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen, Miss Atkins.«
D
er Dienstag war kein leichter Tag für Fred Hendin. Die
Erkenntnis, daß er im Begriff war, Tina für immer aufzugeben, brachte ihn völlig aus der Fassung. Er war jetzt achtunddreißig Jahre alt und hatte im Lauf der Zeit eine ganze Reihe
junger Frauen ausgeführt. Mindestens die Hälfte davon hätten
ihn wahrscheinlich geheiratet.
Fred wußte, daß er in verschiedener Hinsicht eine gute Partie
war. Er arbeitete tüchtig und verdiente genug für ein angenehmes Leben. Er war ein treuer Sohn gewesen, und er würde auch
ein treu ergebener Ehemann und Vater sein. Die Leute wären
sicher verblüfft gewesen, hätten sie genau gewußt, wie gut gepolstert sein Bankkonto war, obwohl er schon immer das Gefühl
hatte, daß Tina es riechen konnte.
Würde er jetzt auf der Stelle Jean oder Lillian oder Marcia anrufen, so hätte er mit Sicherheit heute abend eine Verabredung
zum Essen.
Das Dumme war nur, daß er sich ernsthaft in Tina verliebt
hatte. Ihm war von Anfang an klar gewesen, daß sie launisch
und anspruchsvoll sein konnte, doch wenn er mit ihr am Arm
ausging, fühlte er sich wie ein König. Und es war oft so amüsant
mit ihr.
Er mußte sie sich aus dem Kopf schlagen. Den ganzen Tag
schon war er ganz zerstreut, weil er ständig an sie und die Notwendigkeit, sie aufzugeben, denken mußte. Der Boß hatte ihn
sogar ein paarmal deswegen angeraunzt. »He, Fred, hör auf
rumzuträumen. Wir haben einen Job, der erledigt werden muß.«
Er blickte wieder einmal auf das Haus gegenüber; irgendwie
war es heute nicht so reizvoll wie sonst. Ach, sicher, er würde es
wohl schon kaufen, aber das war dann nicht dasselbe. Er hatte
sich Tina darin zusammen mit ihm vorgestellt.
Aber ein Mann hatte schließlich seine Würde, seinen Stolz. Er
mußte der Sache mit Tina ein Ende machen. Die Tageszeitungen
heute walzten die Anhörung vor Gericht in allen Einzelheiten
aus. Nichts war übersehen worden: der Zustand von Vivians
rechter Hand; der fehlende Smaragdring; Tinas Besuche bei
Scott Covey in
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