Das Haus auf den Klippen
möglich, daß irgendwann mal
einer existiert hat.«
»Hat schon mal jemand die Vermutung angestellt, daß dieses
Haus ein Geheimzimmer haben könnte?«
»Nicht, daß ich wüßte. Und der letzte Bauunternehmer hat
wirklich eine Menge dran renoviert. Es ist Nick Bean aus Orleans.«
»Macht es Ihnen was aus, wenn ich morgen mit ihm spreche?«
»Durchaus nicht. Und schnüffeln Sie unbesorgt herum. Gute
Nacht, Menley.«
Nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, lehnte sich Menley in
ihren Stuhl zurück und musterte die Zeichnungen von Mehitabel
und Andrew. Auf dem Schiff hatten sie so glücklich miteinander
ausgesehen.
Mehitabel hatte auf dem Sterbebett ihre Unschuld beteuert,
und eine Woche später war Andrew, wie wild darauf bedacht,
sein kleines Kind zurückzuholen, in einen aufkommenden Sturm
hineingesegelt und hatte seine Liebe zu seiner Frau herausgeschrien. War es möglich, daß er sich von Mehitabels Unschuld
überzeugt hatte und vor Kummer den Verstand verlor?
Instinktiv war sich Menley sicher, daß sie auf der richtigen
Spur war.
Sie beugte sich wieder über den Schreibtisch, hatte jetzt aber
nichts dafür übrig, die Unterlagen zu sondieren. Etwas, was
Amy beim Abendessen gesagt hatte, drängte sich ihr ins Bewußtsein. Elaine mochte wohl mit einem anderen Mann verlobt
sein, aber sie war in Adam verliebt. Ich habe es doch neulich
abends bei dem Essen gespürt, dachte Menley. Elaine hatte nicht
vergessen, daß sie das Video hatte. Sie hielt es absichtlich zurück, obwohl sie wußte, daß es unersetzlich für uns war. Was
hatte sie davon, außer daß sie sich Adam darauf anschauen
konnte?
Oder hat sie eine andere Verwendung dafür gefunden?
Um zehn Uhr ging Menley nach oben, schlüpfte in ihr Nachthemd und den Morgenrock und rief dann Adam in der New
Yorker Wohnung an.
»Ich wollte dich gerade anrufen, um dir gute Nacht zu sagen«,
erklärte er. »Wie geht’s meinen Mädchen?«
»Uns geht’s gut.« Menley zögerte, wußte aber, daß sie die
Frage aussprechen mußte, die sie beschäftigte. »Amy blieb zum
Abendessen da, und sie hat eine interessante Bemerkung gemacht. Sie glaubt, daß Elaine in dich verliebt ist, und ich muß
sagen, daß ich ihr recht gebe.«
»Das ist doch lächerlich.«
»Findest du? Adam, versteh doch bitte, nach Bobbys Tod war
ich ein Jahr lang als Frau nicht viel wert für dich. Letzten Sommer bat ich dich dann um eine Trennung, und wir wären inzwischen wahrscheinlich geschieden, wenn ich nicht erfahren hätte,
daß Hannah unterwegs war. Du bist doch Elaine in der Zeit, als
wir auseinander waren, ziemlich nahegekommen, stimmt’s?«
»Das kommt drauf an, was du damit meinst. Wir sind schon
immer füreinander da, seit wir halbe Kinder waren.«
»Adam, vergiß mal diese Masche mit eurer alten Vertrautheit.
Hast du ihr das nicht schon mal vorher zugemutet? Du hast doch
gesagt, daß sie toll zu dir gehalten hat, als dein Vater starb. Und
im Lauf der Jahre hast du sie immer angerufen, wenn du gerade
keine andere enge Freundin hattest. War das nicht das Muster,
das ablief?«
»Menley, du glaubst doch wohl nicht, daß ich letztes Jahr ein
Verhältnis mit Elaine hatte.«
»Hast du jetzt eins mit ihr?«
»Mein Gott, Menley, nein!«
»Ich mußte einfach fragen. Gute Nacht, Adam.«
Adam hörte es nur noch klicken. Als er in der Wohnung angekommen war, war ihm klargeworden, was an ihm genagt hatte. Letzten Winter hatte er eines Tages, als Menley nicht da war,
den Film mit Bobby angeschaut. Das Video war dort, wo er es
gelassen hatte, in seinem Schreibtisch. Er hatte es also doch letzten Sommer mit nach Hause genommen. Warum nur hatte sich
Elaine eine Kopie davon machen lassen und ihm nichts davon
erzählt?
17. August
94
A
Mittwoch morgen nahm Nat seine zweite Tasse Kaffee
ins Wohnzimmer mit und verglich die beiden Aufnahmen
vom Remember House. Er hatte die verstümmelte Version mit
größter Sorgfalt aus dem Rahmen gelöst, und jetzt stand sie neben
der Kopie, die Elaine ihm gegeben hatte, auf dem Kaminsims.
Wie schlimm das Foto zugerichtet war, das er aus Scott Coveys Müll gefischt hatte, kam jetzt ohne den Rahmen noch deutlicher zum Vorschein. Es sah so aus, als rührten die langen diagonalen Kratzer von einem scharfen Messer oder sogar von einer Glasscherbe her. Und wo das Boot gewesen war, klaffte jetzt
ein gähnendes Loch.
Die andere Vergrößerung war an der Stelle, wo das Boot gewesen war, leicht verschmiert, so, als habe Elaine sich um eine
Retusche des
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