Das Haus auf den Klippen
Negativs bemüht, die Sache aber nicht ganz
durchgezogen.
»Tschüß, Dad.«
Seine beiden Söhne, Kevin und Danny, sechzehn und achtzehn Jahre alt, standen in der Tür und grinsten ihn an. »Falls du
dich zu entscheiden versuchst, welches von den beiden du kaufen willst, Dad, dann würde ich für das auf der rechten Seite
stimmen«, erklärte Kevin.
»Das andere hat einer wohl überhaupt nicht ausstehen können«, bemerkte Danny.
»Finde ich auch«, sagte Nat. »Die Frage ist bloß, weshalb konnte er’s nicht ausstehen? Bis heute abend dann, Jungs.«
Debbie kam kurz darauf ins Zimmer. »Immer noch nicht dahintergekommen?« fragte sie.
»Nichts ergibt einen Sinn. Zuallererst kann ich nicht glauben,
daß Elaine Atkins ernsthaft annahm, Scott Covey könnte an diesem Haus interessiert sein. Dann, als er abgehauen ist, warum
hat er’s nicht einfach im Haus gelassen? Warum sich die ganze
Mühe machen, das Ding zu ruinieren und das Boot rauszuschneiden? Und warum hat Elaine das Boot in der anderen Kopie entfernt? Es muß doch einen Grund dafür geben.«
Debbie nahm die beschädigte Aufnahme in die Hand und
drehte sie um. »Vielleicht solltest du mal mit dem Fotografen
reden, wer immer das ist. Schau mal, sein Name ist hinten
draufgestempelt. Walter Orr. Seine Telefonnummer und Adresse
sind auch angegeben.«
»Ich weiß, wie er heißt«, sagte Nat. »Elaine hat’s mir gesagt.«
Debbie drehte das Bild erneut um und glättete den verbogenen
Rand. »Sieh mal. Da unten stehen Datum und Uhrzeit, wann es
entstanden ist.« Sie überprüfte das andere Bild. »Auf der Kopie
von Elaine steht nichts.«
Nat schaute sich das Datum an. »Fünfzehnter Juli, fünfzehn
Uhr dreißig!« rief er aus.
»Hat es mit dem Datum irgendwas Besonderes auf sich?«
»Und wie!« erwiderte Nat. »Der fünfzehnte Juli war der Tag,
an dem Vivian Carpenter ertränkt wurde. Covey rief um sechzehn Uhr dreißig am selben Nachmittag bei der Küstenwache
an.« In zwei Sätzen war er am Telefonapparat.
Enttäuschung machte sich auf seinem Gesicht breit, während
er einem Anrufbeantworter lauschte. Dann nannte er seinen
Namen und die Telefonnummer beim Polizeirevier und schloß
mit den Worten: »Mr. Orr, es ist äußerst wichtig, daß ich sofort
mit Ihnen spreche.«
Als er auflegte, sagte er: »Orr ist zu einem Auftrag unterwegs
und kommt um vier Uhr wieder. Die Sache muß also bis dahin
warten. Aber, Deb, mir ist gerade eingefallen, daß Marge doch
sagte, als sie uns diese Kopie anbot, Elaine hätte das Negativ.
Und das hat sie ja offenbar schon verändert. Wenn also etwas an
dieser Sache dran ist, finden wir vielleicht nie heraus, was es ist.
Verflucht!«
95
E
in Gefühl von Ruhelosigkeit lag in der Atmosphäre, als
Menley am Mittwoch früh um sieben Uhr aufwachte. Die
Luft war feucht, und der Raum noch dämmrig. Das Licht, das
am Rand der Rollos eindrang, war gedämpft, und auf den Fen
stersimsen tanzten keine Sonnenstrahlen.
Sie hatte gut geschlafen. Obwohl Hannahs Zimmer gleich nebenan lag und sie beide Türen offen gelassen hatte, hatte sie
auch das Babyphon neben sich auf den Nachttisch gelegt. Um
zwei hatte sie dann gehört, daß die Kleine sich regte, und nach
ihr geschaut, aber Hannah wachte nicht auf.
Und Gott sei Dank keine Träume, keine Flashbacks, dachte
Menley, als sie nach ihrem Morgenrock griff. Sie ging hinüber
zu den Fenstern, die zum Meer hin gelegen waren, und zog die
Rollos hoch. Die See war grau, und noch plätscherten die Wellen ganz sanft gegen das Ufer. Eine blasse Sonne spähte hinter
den schweren Wolken hervor, die über das Wasser dahintrieben.
Meer und Himmel, Sand und Weite, dachte sie. Dieses wunderschöne Haus, dieser außerordentliche Blick. Sie gewöhnte
sich allmählich voller Freude daran, so viel Platz zu haben.
Nach dem Tod ihres Vaters hatte ihre Mutter das kleinere
Schlafzimmer ihrem Bruder gegeben und Menleys Bett in ihr
eigenes Zimmer verlegt. Als Jack dann zum College ging, kam
Menley an die Reihe und erhielt ihr eigenes Zimmer, und danach schlief Jack dann, wenn er nach Hause kam, auf der Ausziehcouch im Wohnzimmer.
Ich weiß noch, wie ich damals, als ich klein war, lauter hübsche Häuser mit hübschen Zimmern gezeichnet habe, dachte
Menley, während sie auf das Meer hinausschaute. Aber ein
Heim wie das hier, eine Lage wie die hier habe ich mir niemals
ausgemalt. Vielleicht ist mir ja deshalb das Haus in Rye, das
Adam und ich hatten, nie so ans Herz gewachsen wie das
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