Das Haus auf den Klippen
Irland.
Wie bewährt sich der Reiseplan, den ich dir gemacht habe?«
Sie war schon fünf- oder sechsmal als Journalistin in Irland gewesen und hatte ihrer Mutter bei der Planung der Reise geholfen.
Sie freute sich zu hören, daß sich die Vorbereitungen als höchst
zufriedenstellend erwiesen. »Und wie gefällt es Phyllis und Jack?«
»Sie haben eine wunderbare Zeit«, antwortete ihre Mutter.
Dann sprach sie leiser weiter: »Selbstverständlich ist Phyl völlig
versessen darauf, ihren Stammbaum auszugraben. Wir sind zwei
Tage lang in Boyle geblieben, während sie alte Aufzeichnungen
der Grafschaft dort durchforscht hat. Aber eins muß man ihr
lassen: Sie hat tatsächlich die Farm ihres Urgroßvaters in Ballymote ausfindig gemacht.«
»Ich hab auch nie bezweifelt, daß sie das schafft«, sagte Menley lachend und versuchte dann, Hannah dazu zu bewegen, für
ihre Grandma zu girren und zu gurgeln.
Bevor das Gespräch zu Ende war, versicherte Menley ihrer
Mutter erneut, es gehe ihr gut und es habe sich kaum eine Spur
des posttraumatischen Streßsyndroms bei ihr gezeigt.
»Und wäre es nicht schön, wenn das auch stimmen würde?«
sagte sie traurig zu Hannah, als sie den Hörer auflegte.
Wenige Minuten später kam Amy. Menley begrüßte sie kühl,
und ihr war klar, daß Amy feinfühlig genug war, die Veränderung in ihrer Haltung zu spüren.
Während Amy Hannah in den Kinderwagen setzte und mit ihr
nach draußen ging, setzte Menley sich wieder an die SpragueUnterlagen. Ihre Aufmerksamkeit fiel auf eine Notiz von Phoebe
Sprague über das Versammlungshaus, das 1700 erbaut wurde.
Nach den Bauangaben – »6m mal 10 und 4m in den Wänden«,
dann die Namen der Männer, die dazu bestimmt wurden, »das
Bauholz zu holen und das Haus zusammenzufügen«, »Dielen
und Bohlen zu bringen« und »mehr Schlußzierat zu kaufen« –
hatte Mrs. Sprague notiert: »Nickquenum (Remember House)
war viel größer als das Versammlungshaus, was vermutlich zu
erheblicher Unzufriedenheit im Ort führte. Die Leute waren
zweifellos bereit, das Schlimmste über Mehitabel Freeman anzunehmen.«
Sicherlich zu einem späteren Zeitpunkt hatte sie mit Bleistift
den Namen »Tobias Knight« eingetragen, gefolgt von einem
Fragezeichen. Der Baumeister. Was war wohl die Frage im Zusammenhang mit ihm? überlegte Menley.
Kurz vor drei rief ein aufgeregter Scott Covey auf der Suche
nach Adam an. Die Polizei sei mit einem Haussuchungsbefehl
aufgetaucht. Er wollte wissen, ob es irgend etwas gebe, was er
tun könne, um sie aufzuhalten.
»Adam hat heute morgen versucht, Sie zu erreichen«, sagte
Menley und gab ihm Adams New Yorker Büronummer. »Eines
allerdings weiß ich«, fuhr sie fort, »wenn ein Richter erst mal
solch ein Papier ausgestellt hat, kann es kein Anwalt außer
Kraft setzen, aber später vor Gericht kann man Einspruch dagegen erheben.« Dann fügte sie leise hinzu: »Es tut mir so leid,
Scott.«
Jan Paley traf pünktlich um vier ein. Menley hatte das Gefühl,
festen Boden unter den Füßen zu haben, als sie die gutaussehende ältere Frau begrüßte. »Es ist wirklich lieb von Ihnen, für mich
nachzuforschen.«
»Überhaupt nicht. Als Tom und ich anfingen, uns für dieses
Haus zu interessieren, haben wir oft mit Phoebe Sprague darüber gesprochen. Die Geschichte der armen Mehitabel hatte es
ihr wirklich angetan. Ich bin froh, daß Henry Ihnen Phoebes
Papiere geliehen hat.« Sie warf einen Blick auf den Tisch. »Ich
sehe ja, daß Sie sich schon eingehend damit beschäftigen«, sagte
sie mit einem Lächeln angesichts der Stapel von Unterlagen.
Menley schaute nach Amy und dem Baby, stellte Wasser für
Tee auf und richtete dann Tassen, Zucker und Milch am Ende
des Tisches her.
»Ob Sie’s glauben oder nicht, ich hab im Bibliothekszimmer
einen Computer mit Drucker und allem, was dazugehört, aber
die Küche hier, oder ich sollte es lieber Familienzimmer nennen,
hat so was Anheimelndes, daß ich mich am wohlsten fühle,
wenn ich hier arbeite.«
Jan Paley nickte voller Verständnis. Sie strich mit der Hand
über einen aus der Oberfläche des massiven offenen Kamins
herausragenden Mauerstein. »Ich merke, daß Sie schon ein starkes Gespür für das Haus haben. Ganz früher war der keeping
room der einzige Raum, in dem die Leute wirklich gewohnt haben. Im Winter war es so bitter kalt. Die Familie hat in den
Schlafzimmern unter einem Haufen Steppdecken geschlafen,
und dann sind alle hier runtergerannt. Und denken Sie
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