Das Haus auf den Klippen
mal dran:
Wenn man zu Hause eine Party macht, arbeiten sich die Gäste
früher oder später zur Küche vor, egal, wieviel Platz man hat.
Dasselbe Prinzip. Wärme und Essen und Leben.«
Sie wies auf die Speisekammertür gegenüber vom Kamin.
»Das war früher der borning room, der Gebärraum«, sagte sie.
»Dort haben die Frauen ihre Kinder zur Welt gebracht, oder man
hat Kranke dorthin gelegt, um sie wieder aufzupäppeln oder
sterben zu lassen. Ganz offenbar war das vernünftig so. Das
Feuer hat auch diesen Raum warm gehalten.«
Für eine Weile bekamen ihre Augen einen hellen Glanz, und
sie versuchte, Tränen zu unterdrücken. »Ich hoffe wirklich, daß
Sie das Anwesen hier kaufen«, sagte sie. »Es würde ein wunderbares Heim abgeben, und Sie haben das richtige Gefühl dafür.«
»Ja, das glaub ich auch«, stimmte Menley zu. Es lag ihr schon
auf der Zunge, dieser intelligenten, einfühlsamen Frau von der
unerklärlichen Angelegenheit mit der Gestalt auf dem Witwensteg zu erzählen, davon, daß Hannah nachts in die Wiege gesteckt worden war, und von dem Geräusch eines durch das Haus
rasenden Zuges, aber sie brachte es nicht fertig. Sie wollte nicht,
daß sie noch jemand mit diesem an ihrem Geisteszustand zweifelnden Ausdruck anschaute.
Also machte sie sich lieber am Herd zu schaffen, wo der Wasserkessel gerade zu pfeifen anfing. Sie goß kochendes Wasser in
die Teekanne, um sie vorzuwärmen, und griff nach der Teedose.
»Sie wissen, wie man eine Tasse Tee zubereitet«, bemerkte
Jan Paley.
»Das hoffe ich. Meine Großmutter bekam einen Herzanfall,
wenn jemand Teebeutel verwendet hat. Sie fand, daß die Iren
und die Engländer schon immer was davon verstanden, wie man
anständigen Tee macht.«
»Viele der Kapitäne damals hatten auch Tee als Teil ihrer Ladung dabei«, äußerte Jan Paley. Während sie ihren Tee tranken
und sich ein paar Kekse zu Gemüte führten, langte sie nach ihrer
ausladenden Hängetasche. »Ich sagte Ihnen doch, daß ich einiges Interessante über Kapitän Freeman gefunden habe.« Sie holte einen beigefarbenen Umschlag hervor und reichte ihn Menley. »Was mir übrigens eingefallen ist: Kapitän Freemans Mutter war eine Nickerson. Von Anfang an haben die verschiedenen
Zweige der Familie ihren Namen unterschiedlich geschrieben –
Nickerson, Nicholson, Nichols. Stammt Ihr Mann von dem ersten William Nickerson ab?«
»Ich hab keine Ahnung. Ich weiß nur, daß sein Vorfahr im
frühen siebzehnten Jahrhundert hierherkam«, sagte Menley.
»Adam war nie besonders interessiert daran, seine Abstammung
zurückzuverfolgen.«
»Nun, wenn Sie dieses Haus tatsächlich kaufen, bekommt er
vielleicht Interesse. Kapitän Freeman könnte sich doch als Urgroßonkel fünfunddreißigsten Grades herausstellen.«
Jan beobachtete Menley, wie sie rasch die verschiedenen Unterlagen aus der Brewster Library überflog. »Der versprochene
Knüller ist auf der letzten Seite.«
»Wunderbar.« Menley griff nach einem Ordner auf dem
Tisch. »Das sind einige der Fakten, die ich bisher herausgefiltert
habe. Ich hätte gern, daß Sie einen Blick drauf werfen.«
Als sie zur letzten Seite der Brewster-Papiere kam, hörte
Menley, wie Jan Paley enttäuscht ausrief: »Ach, so was, Sie
haben ja schon das Bild vom Kapitän, und ich dachte schon, ich
würde Ihnen eine Überraschung damit machen, daß ich es aufgetrieben habe.«
Menley spürte, wie ihre Lippen trocken wurden.
Jan betrachtete die Skizze, die Menley gezeichnet hatte, als
sie sich ausmalte, wie sie Kapitän Andrew Freeman als erwachsenen Mann in dem neuen Band über David porträtieren würde.
Sie starrte auf die Kopie hinab, die Jan von der alten Skizze
von Kapitän Andrew Freeman am Steuer seines Schoners gemacht hatte.
Die Gesichter glichen sich aufs Haar.
43
S
cott
Covey nahm ein Bier mit auf die Veranda, während die
Polizei- und Ermittlungsbeamten sein Haus durchsuchten.
Mit dem Rücken zum Haus der Spragues saß er da und machte
ein grimmiges Gesicht. Am allerwenigsten konnte er jetzt den
Anblick von Henry Sprague ertragen, wie er beobachtete, was er
selbst mit veranlaßt hatte. Wäre Tinas Name nicht ins Spiel gebracht worden, wären jetzt nicht die Cops da – diesen Gedanken
konnte er nicht loswerden.
Dann versuchte er sich zu beruhigen. Es gab nichts, weshalb
er sich Sorgen machen mußte. Was erwarteten sie denn zu finden? Wie lange sie auch suchen mochten: Im Haus gab es
nichts, was gegen ihn verwendet werden konnte.
Adam
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