Das Haus auf den Klippen
sie in einem Memoirenband erwähnt fand, man hätte Mehitabel damals, nachdem ihr Mann ihr
den Säugling wegnahm, dabei beobachtet, wie sie mit einer
Puppe auf dem Witwensteg stand.«
12. August
64
S
cott Covey verbrachte fast den ganzen Freitag auf dem Boot.
Er machte sich ein Lunchpaket zum Mitnehmen, packte seine Angelruten ein und genoß den friedlichsten Tag, den er seit
Wochen erlebt hatte. Die goldene Augustwärme war mit voller
Kraft zurückgekehrt und hatte die Kühle verdrängt, die den Vortag beherrscht hatte. Die Brise vom Meer her wehte wieder lind.
Scotts Hummerfallen waren voll.
Nach dem Mittagessen streckte er sich auf Deck aus, verschränkte die Hände unter dem Kopf und ging in Gedanken die
Aussage durch, die er vor Gericht abgeben wollte. Er versuchte
sich all die negativen Dinge zu vergegenwärtigen, die ihm
Adam Nichols warnend vor Augen gehalten hatte, und sich zu
erinnern, wie er jeden einzelnen Punkt widerlegen konnte.
Sein Verhältnis mit Tina letzten Winter würde sein größtes
Problem sein. Wie konnte er, ohne den Eindruck eines miesen
und ungehobelten Kerls zu vermitteln, dem Richter begreiflich
machen, daß sie diejenige war, die hinter ihm her gewesen war?
Und dann fiel ihm wieder etwas ein, was Vivian zu ihm gesagt hatte. Ende Juni, als er sie mit gutem Zureden durch einen
ihrer immer wiederkehrenden Anfälle tränenreicher Verunsicherung gelotst hatte, hatte sie geseufzt: »Scott, du bist einer von
diesen phantastisch aussehenden Typen, auf die Frauen von Natur aus fliegen. Ich versuche das ja zu verstehen. Ich weiß, daß
auch andere Leute das instinktiv kapieren. Es ist nicht deine
Schuld; du kannst nichts dran ändern.«
»Vivy«, sagte er laut, »ich werde dir noch dafür danken müssen, daß du mich heil durch diese Anhörung gebracht hast.«
Mit einem Blick zum Himmel legte er die Finger an die Lippen und warf ihr eine Kußhand zu.
A
lle kleinen Entchen in einer Reihe, dachte Nat Coogan, als
er die Liste der Zeugen durchging, an die sie eine Vorladung für die Anhörung geschickt hatten. Nat war gerade im Büro des Staatsanwalts in Barnstable.
Der Bezirksstaatsanwalt Robert Shore saß hinter seinem
Schreibtisch und überprüfte seine eigenen Notizen. Er hatte für
zwölf Uhr ein Treffen anberaumt, um die letzten Vorbereitungen
zu koordinieren. »Also gut. Wir werden uns etwas Ärger einhandeln, weil wir die Leute, die wir vorgeladen haben, nur so
kurzfristig benachrichtigt haben, aber so läuft das nun mal. Das
hier ist ein aufsehenerregender Fall, und wir können ihn nicht
schleifen lassen. Noch irgendwelche Probleme?«
Die Besprechung dauerte anderthalb Stunden. Gegen Ende
stimmten die beiden Männer darin überein, daß sie den Fall gut
für den Richter präpariert hatten. Nat sah sich jedoch veranlaßt,
ein paar Worte der Warnung auszusprechen: »Hören Sie, ich
hab gesehen, wie dieser Kerl agiert. Er kann auf Anhieb heulen.
Er mag es ja nicht als Schauspieler auf der Bühne geschafft haben, aber glauben Sie mir – der bringt es noch fertig, sich einen
Oscar im Bezirksgericht zu holen.«
A
Freitag morgen verließ Adam Remember House, sobald
Amy eintraf. »Ich muß die Serviererinnen befragen, die
vielleicht irgendwelche Aussagen darüber kompensieren können, daß Tina Scott in Florida besucht hat«, erklärte er Menley.
»Jan holt mich um zehn ab«, sagte sie mechanisch. »Ich dürfte um zwei oder halb drei wieder zurück sein. Carrie Bell
kommt heute zum Saubermachen, also sind dann sie und Amy
beide mit Hannah im Haus. Ist das zufriedenstellend?«
»Menley!« Er schickte sich an, sie zu umarmen, aber sie kehrte ihm den Rücken zu und ging davon.
»Wollen Sie mir sagen, was Sie bedrückt?« fragte Jan Menley,
als sie über die Brücke von Morris Island zu der Straße fuhren,
die zum Leuchtturm und der Route 28 führte.
»Was mich bedrückt, ist, daß mein Mann und meine Therapeutin sich einig zu sein scheinen, daß ich in eine Gummizelle
gehöre.«
»Das ist ja lächerlich.«
»Ja, ist es auch. Und ich werde nicht zulassen, daß das passiert. Doch reden wir nicht mehr darüber. Aber, Jan, ich habe
das Gefühl, daß Phoebe mir etwas zu vermitteln versucht. Als
sie neulich bei uns im Haus war und ihre Unterlagen sah, hat sie
sich einiges angeschaut und, glaube ich, wirklich verstanden,
was es war.«
»Das kann schon sein«, meinte Jan. »Es kommt manchmal
vor, daß Phoebes Gedächtnis wieder zu funktionieren
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