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Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Titel: Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Männer waren nur zugelassen, um handwerkliche Arbeiten zu verrichten, und die zweiundzwanzig Frauen und vierzehn Mädchen trugen allesamt adrette weiße Hemdblusen sowie Röcke, die auf dem Boden schleiften. Es gab auch acht Knaben in der Kolonie, keiner von ihnen war jedoch über zwölf Jahre alt.
    Â» Mit ihrem dreizehnten Geburtstag verlassen die Jungen ihre Mütter, um bei einem Methodistenprediger irgendwo in der Südsee in die Lehre zu gehen « , erklärte die Vorsteherin, die Elsa herumführte. Sie war eine Amazone Mitte dreißig, von mannhafter Körpergröße und mit ausgeprägten Wangenknochen. Wie bei den anderen Bewohnerinnen der Kolonie, zeigten auch ihre Gesichtszüge einen europäischen Einschlag.
    Â» Wir alle sind gefallene Frauen « , erklärte sie mit einer weiträumigen Armbewegung. » Wir haben Fehler begangen, die schon in unserer Geburt begründet sind. Wir wollten etwas sein, das wir nicht sein können, also haben wir uns der Gemeinheit in die Arme geworfen. Wir wurden von Männern verraten, aber ohne unser Zutun wäre das nicht möglich gewesen. Hier, in der Arbeit für die Kirche, finden wir unser inneres Gleichgewicht wieder. «
    Der Vortrag heimelte Elsa ungefähr so an, wie es eine Garage mit einem winzigen Fenster getan hätte, das gerade groß genug war, damit ein Kopf hindurchpasste. Dennoch schwieg sie zunächst dazu. Sie hatte nichts gegen Sauberkeit, Arbeit und inneres Gleichgewicht. Aber als die Vorsteherin ihr eine weiße Hemdbluse samt bodenlangem Rock zuteilen wollte, strömten die Worte ganz von selbst aus Elsa hervor.
    Â» Ich halte mich nicht für gefallen. Ich sehe meine Herkunft nicht als fehlerhaft an, sondern als Herausforderung und Bereicherung gleichermaßen. Ich habe mich weder der Gemeinheit in die Arme geworfen, noch halte ich meine Ansprüche für überzogen. «
    Die Vorsteherin zog die Augenbrauen hoch und sagte mit ihrer tiefen Stimme: » Wir stehen hier mit der Sonne auf. Die gemeinsame Andacht mit anschließendem Frühstück findet in der Schule statt. «
    Â» Danke. Allerdings … ich bin Presbyterianerin, keine Methodistin. «
    Â» Das ist kein Problem. Wir gestehen jedem Neuzugang eine gewisse Übergangszeit zu. «
    Wie jeden Morgen ging Elsa gleich nach dem Frühstück von der Kolonie zur Telegrafenstation, und endlich, nach zehn Tagen vergeblichen Nachfragens, war ein Fernschreiben für sie angekommen. Ungeduldig fieberte sie der Aushändigung entgegen, die für sie einer Erlösung gleichkam. Seit mehr als einer Woche warf die Ungewissheit sie wie einen Spielball von einer Laune in die nächste, und das Leben in der Kolonie schlug ihr zusätzlich aufs Gemüt.
    Elsa wohnte mit einer sehr stillen, sehr frommen Frau zusammen, die sich vermutlich auch dann noch beim Herrgott bedankt hätte, wenn der Himmel auf sie herabgestürzt wäre. Es gab nicht viel zwischen ihnen zu bereden, und so gingen sie tagsüber ihre eigenen Wege und begegneten sich erst zur Abenddämmerung wieder in der Hütte. Wie zuvor schon unter der weißen Damenschaft von Port Rabaul, fand Elsa auch unter den Mischlingen der Methodistenkolonie keine Freundinnen. Hier verhinderte das religiöse Gebaren, dass sie Vertrauen zu einer der Frauen fasste, auch wenn diese sich unentwegt darum bemühten. Alle paar Stunden erzählte ihr ein anderes Mitglied der Kolonie von seinen bitteren Erfahrungen und versuchte, eine Parallele zu Elsas Schicksal herzustellen. Viele von ihnen waren von ihren Männern verlassen worden, mit denen sie entweder verheiratet gewesen waren oder in einer Art Dauerverlobung gelebt hatten, und bei manch einer der Verlassenen war es mit einer Plötzlichkeit geschehen, die auch Elsa kannte.
    Die Wahrheit über Henning und das, was geschehen war, tauchte so langsam und schemenhaft vor Elsa auf wie Land inmitten eines dunstigen Ozeans. Aber jedes Mal, wenn sie der Wahrheit näher zu kommen schien, wechselte diese abrupt den Kurs.
    Â» Bei mir liegt die Sache anders « , sagte und wiederholte sie standhaft.
    Gewiss, Henning hatte sich falsch verhalten. Dennoch rückte sie von einigen Überzeugungen nicht ab, die da lauteten: Erstens liebte Henning sie, zweitens war er zu seinem Verhalten gezwungen worden, und drittens würde er seinen Fehler schon sehr bald erkennen und korrigieren. Nur unter diesen Prämissen war sie

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