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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Spezialeffekten, von dem ganz Moskau sprach. Mitja verabredete sich mit ihr am Puschkindenkmal, fünf Minuten vor Beginn der Vorstellung.
    Es goss in Strömen, Xenia hatte natürlich keinen Schirm dabei und wartete anderthalb Stunden. Als sie schließlich völlig durchgefroren war, rief sie ihn von einer Telefonzelle aus an.
    »Er ist nicht da«, erklärte Mitjas Mutter, »und er kommt erst sehr spät wieder. Soll ich ihm etwas ausrichten?«
    Xenia glaubte im Hintergrund ein fremdes, melodisches Frauenlachen zu vernehmen und Mitjas zärtlich schnurrende Stimme. Seine Mutter hatte den Hörer nicht richtig aufgelegt, und Xenia hörte statt des Amtszeichens die gereizten Worte: »He, das nächste Mal zwingst du mich nicht zum Lügen, sieh selber zu, wie du mit deinen Mädchen klarkommst!«
     
    Im Krankenhaus ging Xenia nach ihrem Dienst in die Gynäkologie, um mit einer Ärztin, die sie kannte, über eine Abtreibung zu sprechen, doch als sie eben den Mund aufmachen wollte, strömte eine Gruppe Studenten herein, Erstsemester der Medizinischen Akademie. Sofort entdeckte sie unter ihnenMitja und neben ihm eine auffällige große Brünette mit Brillantohrringen, rief: »Hallo!«, winkte Mitja zu und rannte weg. Als sie anschließend in dem von Spatzengetschilp erfüllten Krankenhauspark saß wie auf einem Friedhof, überlegte sie plötzlich, dass es ihr gar nicht wegen Mitja und der fatalen Brünetten so schlechtging. Es tat ihr leid, sich von dem winzigen Wesen zu trennen, das sie bereits liebte – ja, das kleine Wesen liebte sie, so hilflos, so erniedrigt, egal, wie sie war, das kleine Wesen liebte sie einfach.
    An diesem Tag wurde Oleg Solodkin aus dem Krankenhaus entlassen, und seine Mutter Galina kam, um Xenia kennenzulernen.
    Ist doch bestens, dachte Xenia, während sie Olegs verliebte Blicke auffing und seine elegante Mutter freundlich anlächelte, ist doch wunderbar.

Achtzehntes Kapitel
    »Kommen Sie bitte herein.«
    Der Besucher betrachtete durch seine dunkle Brille hindurch unauffällig die Hausherrin. Die Dame war an die fünfzig, wirkte aber bedeutend jünger. Groß und kräftig, mit strahlend blauen Augen und üppigen weizenblonden Locken und Grübchen auf den runden roten Wangen, strahlte Isolda Gesundheit und Optimismus aus. Alles an ihr passte zusammen und war solide – die breiten Schultern, der majestätische Busen, der massive Hintern, die glänzenden, vollen Lippen, die ebenmäßigen perlweißen Zähne. Zu totalitären Zeiten hatten solche Gestalten die Agitationstafeln geziert, in der bürgerlichen Demokratie waren sie perfekte Werbeträger für Margarine und Waschpulver.
    Der Besucher, Korrespondent der französischen Elternzeitschrift »Les enfants« folgte der Hausherrin ins Wohnzimmer, das nach der grellen Sonne draußen fast dunkelwirkte. Der Journalist sah sich verwirrt um; die Gastgeberin bot ihm sofort einen der riesigen Ledersessel neben einem kleinen Tisch an und erkundigte sich mit liebenswürdigem Lächeln, was er trinken wolle – Tee, Kaffee oder ein Glas trockenen Weißwein. Offenkundig empfing die Dame häufig Journalisten, auch aus dem Ausland. Sein Anruf mit der Bitte um ein Interview hatte sie nicht im Geringsten erstaunt. Sie war gern bereit, über ihr einzigartiges Werk zu reden.
    »Danke, ich hätte gern ein Glas Wasser, wenn das möglich ist«, antwortete der Journalist lächelnd und setzte hinzu: »Es ist sehr heiß heute.«
    »Okay.« Isolda klatschte in die Hände und rief in vollem, operntauglichem Kontraalt: »Larissa!«
    Auf den Ruf erschien ein spindeldürres, etwa fünfzehnjähriges Mädchen mit zerzaustem rotem Haar.
    »Komm her, meine Kleine, mach dich bekannt. Das ist ein Journalist von einer französischen Zeitschrift, Herr …« Die Hausherrin wandte sich mit schuldbewusstem Lächeln zu ihrem Gast um.
    »Pierre Germont«, sagte dieser eilfertig.
    »Ach, entschuldigen Sie, ich habe ein Gedächtnis wie ein kleines Kind. Richtig, Monsieur Germont«, sagte die Dame langsam, als schmecke sie dem ausländischen Namen nach, »und das ist meine kleine Larissa.« Zärtlich zauste sie die roten Strähnen.
    »Tach«, quiekte das Mädchen und schürzte verächtlich die Lippen. »Sie sehen gar nicht aus wie ein Ausländer.«
    »Kleines, bring uns bitte kaltes Mineralwasser. Und zwei Gläser silwuplä.«
    »Sofort!« Das Mädchen vollführte eine schroffe Kehrtwendung auf den Hacken und entfernte sich mit schaukelndem Gang, die Hände in den Taschen der tief herabhängenden

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