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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Ich weiß die Nummer nicht auswendig, aber ich hab sie irgendwo, einen Moment …« Er kramte in seiner Tasche, dann in den Hosentaschen, und zuckte schließlich die Achseln.
    »Die Hitze macht mich total kaputt, ich vergesse einfach alles, ich glaube, ich habe die Visitenkarte des Hotels nicht mitgenommen. Aber ich habe natürlich meine dabei.« Erreichte ihr eine Visitenkarte, auf der auf Französisch stand: Pierre Germont.
    Isoldas Schulkenntnisse reichten aus, um das französische Wort »correspondant« und den Namen der Zeitschrift »Les enfants« zu entziffern. Und darunter, wo normalerweise die Adresse steht, in kleiner Schrift: »Paris«.
     
    »Entschuldigung, könnten Sie vielleicht das Fenster öffnen?«, fragte Borodin nach kurzem Husten den Chef des Milizreviers.
    »Das geht nicht auf. Es klemmt«, antwortete der Chef und zündete sich die nächste Zigarette an.
    »Wie können Sie in einem so verrauchten Raum arbeiten?« Borodin schüttelte den Kopf. »Man kriegt ja gar keine Luft.«
    »Ist Ihnen nicht gut?« Der Major verzog die wulstigen Lippen zu einem Lächeln. »Klar, in Ihrem Alter hat man schon diverse Zipperlein.«
    »Schon gut, Major«, seufzte Borodin, »ich weiß, Ihnen wäre es am liebsten, wenn ich wieder ginge und Sie in Ruhe ließe. Sie stecken in ernsthaften Schwierigkeiten, aber keineswegs meinetwegen.«
    »Selbstverständlich nicht Ihretwegen.« Der Major starrte mit seinen hervorquellenden Augen durch Borodin hindurch, zog mehrmals nervös an seiner Zigarette und bemerkte schließlich mit einem vielsagenden Seufzer: »Schwierigkeiten ist gelinde gesagt. Das ist ein Unglück, ein richtiges Unglück. Der Junge tut mir leid, er ist noch so jung, hat noch das ganze Leben vor sich, und er hinterlässt eine schwangere Frau. Wie sie allein mit dem Kind klarkommen soll in dieser schwierigen Zeit, ist mir ein Rätsel.«
    »Entschuldigen Sie«, sagte Borodin einschmeichelnd, »wann haben Sie das letzte Mal im Krankenhaus angerufen?«
    »Ich hab keine Zeit zum Telefonieren.« Der Major winkte ab. »Wozu auch? Die Jungs habens mir gemeldet… Schlimm, schlimm – der arme Junge! Aber wir kümmern uns natürlichum die Beerdigung und sorgen für die nötige Form, von wegen, in Ausübung seiner Pflicht und so weiter. Obwohl das, unter uns gesagt, nicht stimmt. Sein Dienst war am Morgen zu Ende, er war auf dem Heimweg, vielleicht hatte er auch was getrunken, zur Entspannung nach dem Nachtdienst. Wer tut das nicht mal? Aber wir werden selbstverständlich alles Nötige veranlassen, damit die Witwe wenigstens eine Rente bekommt.«
    »Sehr großzügig von Ihnen. Sagen Sie, worüber hat Unterleutnant Teletschkin heute Morgen mit Ihnen gesprochen?«
    »Heute Morgen?« Die Augen des Majors huschten unruhig hin und her. »Ach ja, er war kurz bei mir, buchstäblich eine Stunde vor dem Unfall.«
    »Wovor bitte?« Borodin hob leicht die Brauen.
    »Bevor er unters Auto geriet, als er bei Rot die Fahrbahn überquerte«, präzisierte der Major, Silbe für Silbe betonend, drückte die Zigarette aus und zündete sich sofort die nächste an.
    »Ach ja, natürlich.« Borodin wandte sich vom Qualm ab, warf dem Major einen schrägen Blick zu und sagte im selben Ton, Silbe für Silbe: »Seien Sie so gut und versuchen Sie sich zu erinnern, worüber sie mit Unterleutnant Teletschkin heute Morgen in Ihrem Büro gesprochen haben.«
    »Darf ich erfahren, warum Sie das interessiert?« Der Major hustete und riss an seinem Hemdkragen, als beenge der ihn.
    »Wenn Sie erlauben, werde ich das später tun. Also, können Sie meine Frage beantworten oder nicht?«
    »Ehrlich gesagt, ich erinnere mich nicht genau. Es war ein schwerer Tag, ich krieg nicht mehr alles zusammen. Ich wühle hier schließlich tief in der Scheiße. Jeder dritte Jugendliche in meinem Revier ist drogensüchtig. Und dann hab ich noch den Markt, also Taschendiebe, Hochstapler, Trickbetrüger – kurz, jede Menge Scheiße. Wann wird in diesem Land bloß endlich Ordnung herrschen?«
    »Wem sagen Sie das!« Borodin seufzte, ließ eine mitfühlende Pause verstreichen und fragte dann mit honigsüßer Stimme: »Sie erinnern sich also an kein einziges Wort eines Gesprächs, das fünfundzwanzig Minuten dauerte?«
    »Woher wissen Sie, wie lange es dauerte?« Der Major wurde rot und hob die Stimme.
    »Ich weiß gar nichts.« Borodin lächelte breit. »Das war nur eine Vermutung, aber ich sehe Ihnen an, dass sie stimmt.«
    »Ach, Sie können in Gesichtern lesen?«, fragte der

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