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Das Haus der Bronskis

Das Haus der Bronskis

Titel: Das Haus der Bronskis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Marsden
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versperrt worden war, hatten vor den streitbaren Männern vom Dorf klein beigegeben. Deren Ausrüstung, bestehend aus Mistgabeln und drohend geschwungenen Dreschflegeln, hatte ihnen angst gemacht. Sie waren zum Gutshof zurückgekehrt. Die Rebellen saßen nun in Siegerpose beisammen. Ein oder zwei lagen am Ufer, den Hut über die Augen gezogen. Eine Gruppe junger Männer saß im Schatten und redete hitzig mit dem
wójt
, dem gewählten Dorfvorsteher, über ihren Sieg.
    Der
wójt
stand auf, als Adams
bryczka
sich näherte. Er war ein besonnener älterer Mann. Adam hatte ihn immer als aufrechten Menschen erlebt und glaubte, daß sie beide die gleiche Liebe zum Land empfanden.
    Der
wójt
legte die Hand auf den Radkranz und beugte sich zu Adam vor.
    »Ich kann nichts dafür, Pan Adam. Das liegt an der Politik.«
    »Was können wir tun?«
    »Ich habe mit ihnen geredet, aber sie wollen den Weg nicht freigeben. Es sind die Jüngeren mit ihren Ideen.«
    Adam stieg von der
bryczka
herunter und ging auf die Gruppe zu. Die jungen Männer stützten die Ellbogen auf und blickten ihn ausdruckslos an.
    Adam stellte sich vor sie hin. »Ich habe euch den Wald zwischen der Kirche und den Wiesen gegeben. Der Wald hier gehört dem
dwór

    Die stoppelbärtige Schar rührte sich nicht. Fliegen summten um ihre Gesichter. Schweigen.
    Adam hielt inne und sah von einem zum anderen. »Morgen früh komme ich mit den Fuhrwerken wieder hierher und erwarte, daß ihr mich durchlaßt. Wenn ihr euch wieder dagegenstellt, werde ich gezwungen sein, von den zuständigen Stellen in Nowogródek Unterstützung anzufordern.«
    Am nächsten Morgen waren sie immer noch da. Adam redete kurz mit dem
wójt
und ging dann mit ihm zum Fernmeldeamt, um mit Nowogródek zu telefonieren.
    Der Bezirkskommissar war ein pensionierter Major der polnischen Kavallerie. Für die weißrussische Sache hatte er nicht viel übrig; er hatte Piłsudskis Putsch begrüßt. Er knurrte Adam über das Telefon zu: »Bis mittag bin ich in Mantuski.«
    Adam holte ihn an der Fähre ab. Vier Konstabler ritten an seiner Seite. Jeder von ihnen hatte ein Gewehr in einem Sack hinter dem Sattel dabei.
    Es war nicht die erste Demonstration von Stärke, mit der sich der Bezirkskommissar konfrontiert sah. Er ging sehr unpersönlich vor und verlas eine Aufforderung an die Männer, den Weg freizugeben.
    Sie rührten sich nicht von der Stelle.
    Er warnte sie, wenn sie den Weg nicht freigäben, werde er seinen Konstablern befehlen, über ihre Köpfe zu schießen.
    Sie gaben den Weg nicht frei.
    Er befahl seinen Leuten abzusitzen. Sie luden ihre Waffen und gingen in Position. »Feuer!«
    Die Schüsse hallten im Wald. Ein Schwarm von Saatkrähen flatterte krächzend aus den Linden auf. Die Männer rotteten sich etwas enger zusammen, aber keiner brach aus.
    Der
wójt
ging zu den Rebellen, um mit ihnen zu verhandeln; die Gruppe lockerte sich. Der
wójt
kam zurück und verkündete, sie würden die Fuhrwerke durchlassen.
    Adam fragte: »Was haben Sie zu ihnen gesagt,
wójt

    »Ich habe nicht lange herumgeredet, Pan Adam. Ich habe ihnen gesagt, wenn ihr wegen ein paar Bäumen sterben wollt, gut und schön, aber denkt an eure Familie.«
    Noch Wochen nach diesem Vorfall, schreibt Helena, war Adam in brütendes Nachdenken versunken. Noch nie hatte sie ihn so in sich gekehrt gesehen, so still. Seine gute Laune kehrte zurück, sein unbegrenzter Optimismus jedoch nicht. Und in den Jahren darauf hörte sie ihn immer häufiger von Landreform sprechen.
     
    Bei Gericht, schreibt Helena, konnte Adam ziemlich streng sein. Nach 1926 wurde er besonders unerbittlich gegenüber dem, was er Verbrechen aus
nienawiść
– aus Haß und Verbitterung   – nannte und sich entweder zwischen
szlachta
– Adligen   – und Bauern oder zwischen Weißrussen und Polen abspielte. Seine Urteilsbegründungen waren um so überzeugender, da sie von einem sanftmütigen Menschen formuliert waren, und sie trafen die Verurteilten hart. Aber irgendwie beeindruckten seine Urteile die polnischen Stellen nie.
    Im Sommer 1927 mußte er über eine etwa neunzehnjährige junge Frau zu Gericht sitzen, die der Polizeichef ihm vorgeführt hatte. Sie trug ein verwaschenes Baumwollkleid. Ihre dünnen Arme baumelten daraus hervor, schlenkerten wie Weidenzweige um ihre Hüften. Ihre Nase war mit kaffeebraunen Sommersprossen gesprenkelt, und sie hatte sehr große Augen, Kaninchenaugen. Sie hieß Tessa Stanicka und war des versuchten Mordes

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