Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
berühmte Bronzestatue des trunkenen Bacchus und schwenkte sie dann langsam durch den Raum. »Warte nur, bis Jack und Sally die Bilder sehen. Die werden grün vor Neid.«
Er richtete die Kamera auf eine Ecke, in der ein Wachmann saß und die Besucher beobachtete. »Geh herum«, sagte er leise zu ihr. »Mach einen ehrfürchtigen Mittelschicht-Eindruck.«
Mirandas Hände wurden feucht. Das war natürlich lächerlich. Es war ganz normal, daß sie sich hier aufhielten, und schließlich konnte ja niemand ahnen, was in ihren Köpfen vor sich ging. Trotzdem schlug ihr das Herz bis zum Hals, während sie durch die Halle wanderte.
»Wunderbar schrecklich, nicht wahr?«
Sie zuckte leicht zusammen, als Ryan neben sie trat, während sie gerade vorgab, Bandinellis Adam und Eva zu betrachten. »Es ist ein bedeutendes Werk.«
»Nur weil es alt ist. Sie sehen aus wie ein Paar aus der Vorstadt, das jedes Wochenende in einem Nudistencamp herumhängt. Komm, wir sehen uns Giambolognas Vögel in der Loggia an.«
Nach einer Stunde bekam Miranda langsam den Verdacht, daß kriminelle Aktivitäten äußerst ermüdend waren. Sie gingen durch jeden Saal und hielten jeden Zentimeter, jeden Winkel mit der Kamera fest. Sie hatte jedoch vergessen, daß im Sala dei Bronzetti Italiens prächtigste Sammlung kleiner Renaissance-Bronzen gezeigt wurde. Der David fiel ihr wieder ein, und sie wurde nervös.
»Hast du noch nicht genug?«
»Beinahe. Flirte mal mit dem Wachmann dort drüben.«
»Wie bitte?«
»Mach ihn auf dich aufmerksam.« Ryan ließ die Kamera sinken und öffnete rasch die beiden obersten Knöpfe von Mirandas Baumwollbluse.
»Was machst du da?«
»Ich stelle sicher, daß er dir seine Aufmerksamkeit schenkt, cara . Stell ihm ein paar Fragen, rede schlechtes Reiseführer-Italienisch, klimper mit deinen Wimpern, und gib ihm das Gefühl, daß er wichtig ist.«
»Und was tust du in der Zwischenzeit?«
»Wenn du ihn nicht fünf Minuten lang ablenken kannst, nichts. So lange brauche ich. Wenn du fertig bist, frage ihn nach der Damentoilette, und geh dann dorthin. Wir treffen uns in zehn Minuten im Hof.«
»Aber...«
»Tu, was ich sage«, befahl er. Sein Blick war ganz hart geworden. »Es sind gerade genug Leute hier, daß ich es schaffen könnte.«
»O Gott. In Ordnung.« Ihr Magen sank ihr fast bis in die zitternden Knie, während sie auf den Wachmann zuging.
»Ah ... scusi «, begann sie mit einem harten amerikanischen Akzent. »Per favore ...« Der Blick des Wachmanns verhakte sich in ihrem Ausschnitt, und dann richtete er ihn lächelnd auf ihr Gesicht. Miranda schluckte und breitete hilflos die Hände aus. »Sprechen Sie englisch?«
»Si , signora, ein bißchen.«
»Oh, wunderbar.« Sie klimperte ein wenig mit ihren Wimpern und sah am Lächeln des Wachmanns, daß solche armseligen Hilfsmittel tatsächlich wirkten. »Vor meiner Abreise habe ich mein Italienisch noch ein bißchen aufpoliert, aber ich habe alles schon wieder vergessen. Ist es nicht schrecklich, daß so wenige Amerikaner eine Fremdsprache sprechen, so wie die meisten Europäer?«
An dem Ausdruck in seinen Augen erkannte sie, daß sie viel zu schnell für ihn redete. Um so besser. »Alles ist so wunderschön hier. Könnten Sie mir vielleicht etwas erzählen über ...« Sie wählte eine Skulptur am Rand.
Ryan wartete, bis er sah, daß der Wachmann abgelenkt war, dann zog er einen kleinen Dietrich aus der Tasche und widmete sich dem Seiteneingang.
Es war ziemlich einfach zu bewerkstelligen. Niemand hier im Museum rechnete damit, daß die Besucher mit Dietrichen
bewaffnet waren oder sich am hellichten Tag an verschlossenen Türen Eintritt verschaffen wollten.
Den Grundriß des Museums hatte er auf einer Diskette gespeichert. Wie Dutzende von anderen Grundrissen auch. Wenn er seiner Quelle trauen konnte, würde Ryan das, was er suchte, hinter der Tür finden, in einem der vollgestopften Lagerräume in diesem Stockwerk.
Er behielt die Sicherheitskamera im Auge und schätzte ab, wieviel Zeit ihm noch blieb, bis eine Gruppe von Kunstliebhabern vor ihm vorüberkam.
Noch bevor sie ihn erreicht hatten, war er schon durch die Tür und schloß sie leise hinter sich.
Zufrieden atmete er auf, zog die Handschuhe über und spreizte die Finger. Allzu viel Zeit hatte er nicht zu verlieren.
Es gab etliche kleine Räume, wie in einem Kaninchenbau, die vollgestopft waren mit Statuen und Bildern, von denen die meisten auf ihre Restaurierung warteten. Seiner Erfahrung
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