Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
sechs. Jetzt konnte ihr niemand mehr helfen. Und niemand wartete auf sie.
Sie war allein.
25
»Hast du mal etwas von Ryan gehört?«
Miranda überprüfte die Liste auf ihrem Klemmbrett. Sie überwachte gerade das Entfernen verschiedener Gemälde von der Wand in der Südgalerie.
»Ja, sein Büro hat die genauen Transporttermine gefaxt. Alle Stücke kommen nächsten Mittwoch an. Eine unserer Sicherheitsmannschaften erwartet Ryans Sicherheitsleute am Flughafen.«
Andrew musterte sie von der Seite, dann zuckte er mit den Schultern. Sie wußten beide, daß er das nicht gemeint hatte. Ryan war jetzt schon eine Woche lang weg.
Er griff in die Tüte mit Brezeln, die er mittlerweile pfundweise aß. Sie machten ihn durstig, und wenn er Durst hatte, trank er literweise Wasser, und dann mußte er ständig zur Toilette rennen.
Aber er stellte sich insgeheim vor, wie all diese Flüssigkeit die Gifte aus seinem Körper spülte.
»Ms. Purdue und Clara kümmern sich um den Caterer«, sagte er. »Wir kennen noch nicht die genaue Anzahl aller Gäste, aber sie hätten gern schon das Menü genehmigt. Ich möchte, daß du einen Blick darauf wirfst, bevor wir den endgültigen Vertrag unterschreiben. Eigentlich ist es ja deine Veranstaltung.«
»Es ist unsere Veranstaltung«, korrigierte Miranda ihn, immer noch mit ihrer Liste beschäftigt. Sie wollte die Bilder und die Rahmen noch vor der Eröffnung reinigen lassen und hatte schon ein entsprechend dringendes Memo an die Restaurationsabteilung geschickt.
»Hoffentlich wird die Sache ein Erfolg. Es hat eine Menge Besucher verärgert, daß wir diesen Teil der Galerie geschlossen haben.«
»Wenn sie in ein paar Wochen wiederkommen, kriegen sie viel mehr für ihr Geld.« Miranda nahm die Brille ab und rieb sich die Augen.
»Du hast eine Menge Arbeit hineingesteckt.«
»Es gibt noch viel zu tun, und ich habe nicht mehr viel Zeit. Außerdem habe ich gern viel Arbeit.«
»Stimmt.« Er raschelte mit seinen Brezeln. »Keiner von uns beiden möchte im Moment gern allzu viel Freizeit haben.«
»Geht es dir gut?«
»Ist das der Code für ›trinkst du‹?« Seine Worte kamen schärfer heraus, als er beabsichtigt hatte. »Tut mir leid.« Er griff wieder in die Tüte. »Nein, ich trinke nicht.«
»Ich weiß das. Es war kein Code.«
»Ich kann damit leben.«
»Ich bin froh, daß du wieder zu Hause wohnst, aber ich möchte nicht, daß du das Gefühl hast, bei mir sein zu müssen, wenn du lieber bei Annie wärst.«
»Es fällt mir ein bißchen schwer, auf ihrer Couch zu schlafen, seit ich mir darüber klargeworden bin, daß ich gern bei Annie bin. Wenn du weißt, was ich meine.«
»Ja, ich weiß, was du meinst.« Sie griff ebenfalls in seine Tüte.
»Hast du eine Ahnung, wann Ryan zurückkommt?«
»Nicht genau.«
Sie blieben noch für einen Moment stehen, kauten auf ihren Brezeln und dachten über das Problem der sexuellen Frustration nach. »Möchtest du ausgehen und dich betrinken?« Andrew grinste sie an. »Das war nur ein bißchen Genesungshumor.«
»Haha.« Sie griff wieder in die Tüte, holte aber nur noch ein paar Salzkörner heraus und seufzte. »Hast du noch mehr davon?«
Ryan fuhr in San Francisco zuerst in die Galerie. Er hatte seinerzeit das alte Lagerhaus am Hafen dafür ausgesucht, weil er viel Platz benötigte. Außerdem wollte er seine Galerie von den zahlreichen anderen in der Stadt abheben.
Es hatte funktioniert. Die Galerie Boldari war exklusiv, einzigartig, und gab arrivierten Künstlern die Möglichkeit, ihre Werke in einer erstklassigen Galerie auszustellen.
Die Ausstattung war eher lässig und nicht so elegant wie in New York. Die Gemälde hingen an unverputzten
Ziegel- oder Holzwänden, und die Skulpturen standen häufig auf groben Metallsäulen. Große, rahmenlose Fenster boten Aussicht auf die Bucht und den ständigen Touristenstrom.
Im Cafe im zweiten Stock gab es für Künstler und Kunstliebhaber Cappuccino und Milchkaffee, und sie konnten von dort auf die Galerie im Erdgeschoß oder auf die Ateliers im dritten Stock blicken.
Ryan setzte sich an einen der Tische und grinste seinen Bruder Michael an. »Nun, wie läuft das Geschäft?«
»Erinnerst du dich noch an die Metallskulptur, von der du gesagt hast, sie sähe aus wie ein verunglückter Zug?«
»Ich glaube, meiner Meinung nach hat sie sogar ausgesehen wie ein verunglückter Zirkuszug.«
»Ja, genau. Wir haben sie gestern für über zwanzigtausend verkauft.«
»Viele Leute haben offenbar
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