Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
mehr Geld als Geschmack. Wie geht’s der Familie?«
»Gut. Du kannst dich selbst davon überzeugen, wir erwarten dich zum Abendessen.«
»Ich komme gern.« Ryan lehnte sich zurück und musterte Michael, während dieser Kaffee für sie beide bestellte.
»Steht dir gut«, kommentierte Ryan. »Ehe, Familie, das Häuschen im Grünen.«
»Ich bin eben fürs Dauerhafte. Dir täte es auch gut. Es hält einem Mama von der Pelle.«
»Das hilft nicht viel. Ich habe sie gestern gesehen. Ich soll dir ausrichten, daß sie neue Bilder von den Kindern braucht. Wie soll sie sich an sie erinnern können, wenn du nie Bilder schickst?«
»Wir haben ihr erst letzten Monat zehn Pfund Bilder geschickt.«
»Du kannst ihr den nächsten Stapel persönlich aushändigen. Ich möchte, daß du mit deiner Familie zur Ausstellung und Stiftungsgründung im Institut kommst. Du hast doch das Memo darüber erhalten, oder?«
»Ja, habe ich.«
»Gibt es irgendwelche Terminprobleme?«
Während ihnen der Kaffee serviert wurde, dachte Michael nach. »Nein, mir fällt nichts ein. Die Kinder finden es immer toll, wenn wir nach New York fahren, sie mit ihren Vettern und Kusinen streiten können und Papa ihnen heimlich Süßigkeiten zusteckt. Und für mich ist es die Gelegenheit, mir deine Frau Doktor anzusehen. Mama hat uns davon erzählt. Wie ist sie denn so?«
»Miranda? Klug, sehr klug. Fähig.«
»Klug und fähig?« Michael trank einen Schluck Kaffee und beobachtete, daß sein Bruder leicht mit den Fingern auf dem Tisch trommelte. Ryan ist nicht oft so unruhig, dachte er. Er denkt an die kluge, fähige Frau – und sie macht ihn nervös. »Mama hat gesagt, sie sieht toll aus, mit roten Haaren.«
»Ja, sie ist ein Rotschopf.«
»Normalerweise stehst du auf Blondinen.« Als Ryan nur eine Augenbraue hochzog, lachte Michael. »Komm schon, Ry, spuck es aus. Was ist los?«
»Sie ist wundervoll. Sie ist kompliziert. Die Sache ist ebenfalls kompliziert«, sagte er und merkte endlich, daß er mit den Fingern trommelte. »Wir haben auf verschiedenen Ebenen geschäftlich miteinander zu tun.«
Dieses Mal zog Michael die Augenbrauen hoch. »Oh, wirklich?«
»Ich möchte das Thema jetzt nicht vertiefen.« Ryan hatte einen Kloß im Hals, so sehr fehlte sie ihm. »Laß es mich so formulieren: Wir arbeiten zusammen an ein paar Projekten, wie zum Beispiel dieser Ausstellung. Und wir haben eine persönliche Beziehung. Wir freuen uns aneinander. Das ist alles.«
»Wenn das alles wäre, würdest du nicht so besorgt dreinblicken.«
»Ich bin nicht besorgt.« Zumindest war er es nicht gewesen, bis sie sich wieder in seine Gedanken geschlichen hatte. »Es ist eben nur kompliziert.«
Michael gab ein zustimmendes »Hmm« von sich und beschloß, seiner Frau zu erzählen, daß Ryan völlig in eine rothaarige Akademikerin aus Maine verschossen war. »Du hast es doch sonst immer geschafft, dich aus allen Problemen wieder hinauszumanövrieren.«
»Richtig.« Da er sich bei dem Gedanken besser fühlte, nickte Ryan. »Auf jeden Fall ist das nur zum Teil der Grund, warum ich hier bin. Ich suche nach einem jungen Künstler. Ich habe zwar seine Adresse, aber ich dachte, ich höre zuerst einmal, ob du ihn kennst. Harrison Mathers. Bildhauer.«
»Mathers?« Michael runzelte die Stirn. »Ich wüßte im Moment nicht. Aber ich kann mal im Computer nachsehen, ob wir irgend etwas von ihm ausgestellt haben.«
»Gut, tu das. Ich weiß nämlich nicht, ob die Adresse noch stimmt.«
»Wenn er in San Francisco ist und Kunst verkaufen will, finden wir ihn. Hast du sein Werk gesehen?«
»Ich glaube, ja«, murmelte Ryan.
Mathers’ letzte bekannte Adresse war ein Apartment im dritten Stock in der falschen Ecke der Innenstadt. Leichter Regen fiel, als Ryan sich dem Wohnhaus näherte. Eine Gruppe junger Männer lungerte im Hauseingang herum, blickte die Straße entlang und suchte nach Streit.
Auf den vernachlässigten, schmalen Briefkästen im Hausflur entdeckte Ryan »H. Mathers« in 3B.
Er stieg die Treppe hinauf. Im Treppenhaus hing der schwache Geruch von Urin und Erbrochenem.
An die Tür von 3B hatte jemand eine ausgezeichnete Studie eines mittelalterlichen Schlosses gezeichnet, mit Türmchen und Zugbrücke. Es sah aus wie aus einem Märchen, allerdings aus einem düsteren, fand Ryan. Das einzige Gesicht, das aus einem der Fenster blickte, sah unglaublich entsetzt aus.
Harry, dachte er, hat Talent und ein hervorragendes Gefühl für seine aktuellen Lebensumstände.
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