Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
nicht kalt, Miranda«, sagte er liebevoll. »Du bist nur verletzt. Und du bist liebenswert.«
Die Tränen strömten ihr über die Wangen, ohne daß sie etwas dagegen machen konnte. »Ich will nicht, daß meine Mutter mir das angetan hat, Ryan!«
Er trat auf sie zu und nahm ihr Gesicht in beide Hände. »Wir haben die Chance, daß wir in den nächsten Tagen die Antwort erfahren. Und dann wird es vorbei sein.«
»Aber ich werde mit der Antwort leben müssen.«
Er brachte sie nach Hause und überredete sie dazu, eine Schlaftablette zu nehmen und früh zu Bett zu gehen. Die Tatsache, daß sie kaum Widerstand leistete, bewies ihm, daß sie vollkommen am Ende war.
Als er sicher war, daß sie schlief und Andrew sich in seinen eigenen Flügel zurückgezogen hatte, zog Ryan den dunklen Pullover und die Jeans an, die er bei seinen nächtlichen Einbrüchen bevorzugte.
Er steckte seine Werkzeuge in die Tasche und nahm eine weiche, schwarze Aktentasche mit Schulterriemen mit, falls er etwas fand, das er transportieren mußte.
Mirandas Schlüssel steckte in der Seitentasche ihrer Handtasche. Leise ging er nach draußen, öffnete die Autotür, setzte sich hinter das Steuer und rückte den Sitz zurecht. Er ließ den Wagen nicht an, sondern löste nur die Handbremse. Ohne Licht rollte er die Küstenstraße hinunter.
Er wartete, bis er ungefähr eine Viertelmeile vom Haus entfernt war, dann erst ließ er den Wagen an und schaltete das Licht ein.
Im Radio lief Puccini, und obwohl er Mirandas Vorliebe für die Oper teilte, paßte sie jetzt nicht zu seiner Stimmung, deshalb suchte er einen anderen Sender. Als George Thorogoods »Bad to the Bone« erklang, grinste er.
Am Stadtrand wurde der Verkehr etwas dichter. Die Leute fahren zu Parties, dachte er, oder schon wieder nach Hause. Es war gerade erst Mitternacht.
Ganz anders als in der Stadt, die nie zur Ruhe kam.
Diese Yankees, dachte er, gehen früh zu Bett und stehen früh auf. Bewundernswert. Er stellte den Wagen auf dem Hotelparkplatz ab, weit entfernt vom Eingang. Er war sich ziemlich sicher, daß dieses bewundernswerte Verhalten auch für die Gäste aus Florenz galt. Der siebenstündige Zeitunterschied konnte in den ersten Tagen entsetzlich sein.
Er hatte bei seinem ersten Aufenthalt auch in diesem Hotel gewohnt und kannte die Gegebenheiten genau. Außerdem hatte er sich vorsichtshalber die Zimmernummern aller Personen besorgt, die er heute nacht besuchen wollte.
Niemand nahm Notiz von ihm, als er die Halle durchquerte und direkt zu den Aufzügen ging – wie ein Mann, der es eilig hatte, in sein Bett zu kommen.
Elizabeth und Elise teilten sich im obersten Stockwerk eine Suite mit zwei Schlafzimmern. Man brauchte einen Aufzugschlüssel,
um dorthin zu gelangen. Und da Ryan ein umsichtiger Mann war – der zudem an alten Gewohnheiten festhielt –, hatte er den Zugangsschlüssel einfach behalten, als er seinerzeit aus dem Hotel ausgecheckt hatte.
Unter keiner der drei Türen der Suite sah er Licht, und er hörte auch keine Stimmen oder Geräusche vom Fernseher.
In weniger als zwei Minuten stand er im Wohnraum. Eine Weile lang blieb er ganz still stehen, lauschte und wartete, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Zur Vorsicht entriegelte er die Terrassentüren, damit er, falls nötig, einen alternativen Fluchtweg hatte.
Dann machte er sich an die Arbeit. Zuerst durchsuchte er den Wohnraum, obwohl er bezweifelte, daß eine der beiden Frauen etwas Wichtiges oder Belastendes dort zurückgelassen hatte.
Im ersten Schlafzimmer mußte er seine Taschenlampe benutzen. Er hielt den Lichtstrahl sorgfältig vom Bett weg, aus dem das leise, gleichmäßige Atmen einer Frau drang. Er nahm eine Aktentasche und eine Handtasche mit in den Wohnraum, um sie dort zu durchsuchen.
Sie gehörten Elizabeth, stellte er fest, als er die Handtasche durchsuchte. Er nahm alles heraus, sah jede Quittung, jeden Papierschnipsel durch und las jeden Eintrag in ihrem Terminkalender. In der Innentasche fand er einen Schlüssel. Einen Schlüssel für ein Bankschließfach. Er steckte ihn ein.
Er blätterte ihren Paß durch und nahm zur Kenntnis, daß die Stempel mit den Daten übereinstimmten, die sein Vetter ihm gegeben hatte. Es war Elizabeths erste Reise in die Staaten seit über einem Jahr, aber sie hatte in den letzten sechs Monaten zwei Kurzreisen nach Frankreich gemacht.
Bis auf den Schlüssel legte er alles wieder zurück. Dann wiederholte er die gleiche Prozedur mit
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