Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
hatte sie jeden Pfennig gespart, sich die Hände wundgearbeitet und nächtelang wachgelegen. Nicht viele hatten an ihren Erfolg geglaubt. Schließlich war sie damals erst sechsundzwanzig gewesen, und ihre einzige Geschäftserfahrung hatte darin bestanden, daß sie servierte und Trinkgelder zählte.
Sieben Jahre später jedoch war Annie’s Place ein Begriff in Jones Point.
Andrew hat an mich geglaubt, erinnerte sie sich mit leisem Schuldbewußtsein, als er aus der Bar marschierte. Er hatte ihr Geld geliehen, als die Banken es nicht mehr taten. Er war mit belegten Broten vorbeigekommen, als sie Wände gestrichen und Holz lasiert hatte. Er hatte sich ihre Träume angehört, als niemand sonst etwas davon wissen wollte.
Wahrscheinlich glaubte er mir das zu schulden, dachte sie. Und er war ein anständiger Mann, der seine Schulden bezahlte.
Aber auch damit konnte er die Nacht vor sechzehn Jahren nicht ungeschehen machen, als sie ihm, hoffnungslos in ihn verliebt, ihre Unschuld geschenkt und ihm seine genommen hatte. Deshalb vergaß sie doch nicht, daß sie damals ein Leben gezeugt hatten.
Und sie würde nie den Ausdruck auf seinem Gesicht vergessen, als sie ihm, mit einer Mischung aus Freude und Entsetzen, gesagt hatte, daß sie schwanger war. Sein Gesicht war ganz ausdruckslos geworden, und ganz starr hatte er am Strand auf dem Felsen gesessen und aufs Meer gestarrt.
Und seine Stimme war ganz flach, kühl und unpersönlich gewesen, als er sie fragte, ob sie ihn heiraten wolle.
Eine Schuld begleichen, dachte sie jetzt. Nicht mehr und nicht weniger. Doch indem er ihr die Ehe anbot, was die meisten Menschen wohl als ehrenhaft ansahen, hatte er ihr das Herz gebrochen.
Wahrscheinlich war es Schicksal, daß sie nur zwei Wochen später das Kind verlor. Es hatte sie beide vor Entscheidungen bewahrt, denen sie nicht gewachsen waren. Aber sie hatte das Wesen, das in ihr wuchs, geliebt, genauso wie sie Andrew geliebt hatte.
Doch nachdem sie schließlich akzeptiert hatte, daß das Baby nicht mehr da war, starb auch die Liebe zu ihm. Und das war sowohl für Andrew als auch für sie eine Erleichterung gewesen.
Eine einfache Freundschaft, dachte sie nun, ist sehr viel einfacher zu ertragen als die Verwicklungen des Herzens.
Die verdammten Frauen sind noch mal mein Untergang, dachte Andrew, während er sein Auto aufschloß und sich hinters Steuer setzte. Immer sagten sie einem, was man tun sollte, wie man es tun sollte, und vor allem, daß man es falsch machte.
Was für ein Glück, daß er damit nichts mehr zu tun hatte.
Er war viel besser dran, wenn er sich tagsüber in die Arbeit im Institut vergrub und abends den Schmerz mit Whiskey linderte. So tat er niemandem weh, und am wenigsten sich selbst.
Jetzt allerdings war er viel zu nüchtern, und der Abend, der vor ihm lag, noch viel zu lang.
Während Andrew durch den Regen fuhr, überlegte er, wie es wohl wäre, wenn er einfach immer weiterfuhr. Weiterfuhr, bis der Tank leer war, und einfach dort stehenblieb, wo immer das sein mochte, und einen neuen Anfang machte. Er konnte seinen Namen ändern und sich einen Job im Baugewerbe suchen. Er hatte einen starken Rücken und geschickte Hände. Vielleicht war ja harte manuelle Arbeit die Lösung.
Niemand würde ihn kennen oder etwas von ihm erwarten.
Aber sogleich wußte er, daß er das nicht tun würde. Er würde das Institut nie verlassen. Es war sein eigentliches Zuhause, und er brauchte es ebenso sehr, wie er dort gebraucht wurde.
Nun, er hatte noch ein oder zwei Flaschen zu Hause. Warum sollte er nicht an seinem eigenen Kamin sitzen und soviel trinken, bis er schlafen konnte?
Als er die gewundene Auffahrt hochfuhr, sah er, daß die Fenster erleuchtet waren. Miranda. Er hatte seine Schwester noch lange nicht zurückerwartet. Seine Finger krampften sich um das Lenkrad, als er daran dachte, daß sie in Florenz mit Elise zusammengewesen war.
Der Wind peitschte ihm entgegen, als er aus dem Auto stieg. Regen schlug ihm ins Gesicht und lief in seinen Kragen hinein. Direkt über dem Haus war der Himmel von grellen Blitzen hell erleuchtet.
Eine wilde Nacht. Miranda genoß das Schauspiel wahrscheinlich. Sie liebte Stürme, während er eher Frieden, Ruhe und Vergessen mochte.
Er lief zur Haustür, und als er endlich in der Halle stand, schüttelte er sich wie ein Hund. Er hängte seinen nassen Mantel an die alte Eichengarderobe und fuhr sich, ohne einen Blick in den antiken Spiegel zu werfen, mit der Hand durch die Haare.
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