Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
hüpften.
In ihrem Leben hatte es keine wilde, rebellische Phase gegeben, sie hatte sich in der Zeit auf dem College nicht gegen Regeln und Traditionen aufgelehnt, und sie hatte keine verrückten, herzzerreißenden Affären gehabt. Verklemmt, hatte eine Zimmergenossin sie einmal genannt. Sterbenslangweilig eine andere. Insgeheim stimmte Miranda dieser Ansicht zu, löste das Problem jedoch dadurch, daß sie vom Campus wegzog und sich eine eigene kleine Wohnung nahm.
Das war besser für sie gewesen. Ihr soziales Talent war nicht besonders ausgeprägt, und hinter der Fassade von angelernter Selbstsicherheit war sie hoffnungslos schüchtern. Sie fühlte sich sicherer, wenn sie sich Wissen aneignen konnte.
Also hatte sie gelesen, geschrieben und sich mit eiserner Disziplin in andere Jahrhunderte versenkt, getrieben von flammendem Ehrgeiz.
Und ihr Ehrgeiz hatte nur ein Ziel: die Beste zu sein. Und zu erleben, daß ihre Eltern stolz auf sie waren, voller Freude und Respekt auf sie blickten. Oh, es machte sie ganz krank zu wissen, daß dies insgeheim immer noch ihre Motivation war...
Sie war jetzt fast dreißig Jahre alt, hatte ihren Doktor gemacht, hatte ihre Stellung am Institut und einen guten Ruf in der Archäometrie. Und ein beklagenswertes Bedürfnis danach, daß ihre Eltern ihre Leistung anerkannten. Nun, sie mußte eben darüber hinwegkommen.
Bald, dachte sie, werden meine Ergebnisse sich als richtig erweisen. Dann würde sie dafür sorgen, daß sie die Anerkennung bekam, die sie verdiente. Sie würde einen Artikel über die Dunkle Lady und ihren Anteil an den Tests und dem Echtheitsnachweis schreiben. Und sie würde es Elizabeth nie, niemals verzeihen, daß sie ihr die Angelegenheit aus der Hand genommen hatte. Oder daß sie überhaupt die Macht gehabt hatte, dies zu tun.
Der Wind frischte auf, und Miranda fröstelte. Die ersten dünnen, nassen Flocken wirbelten durch die Luft. Sie wandte ihren Blick vom Meer ab und begann, den Felsen hinunterzuklettern.
Der stete Lichtstrahl des Leuchtturms kreiste über dem Wasser und den Felsen, obwohl weit und breit kein Schiff zu sehen war. Er versagt nie, dachte sie, von der Abenddämmerung bis zum Morgengrauen, Jahr für Jahr. Manche fanden seinen Anblick sicher romantisch. Wenn jedoch Miranda den kompakten, weißgewaschenen Turm betrachtete, sah sie nur Verläßlichkeit.
Mehr, als man jemals bei Menschen erwarten kann, dachte sie jetzt.
In der Ferne stand das Haus, dunkel und verschlafen, eine schwache Silhouette aus einer anderen Zeit.
Das Gras war winterbraun und knirschte unter ihren Sohlen, weil es gefroren hatte. Das, was von dem einst so hübschen Garten ihrer Großmutter übriggeblieben war, schien sie auszuschelten.
Dieses Jahr, gelobte sich Miranda im stillen, während sie an den schwärzlichen Blättern und kahlen Ästen vorbeiging, werde ich ihm Zeit und Aufmerksamkeit widmen. Sie würde Gartenarbeit zu ihrem Hobby machen. Miranda versprach sich jedes Jahr ein Hobby.
In der Küche schüttete sie den Rest Kaffee in ihren Becher. Nach einem letzten Blick auf den immer dichter fallenden Schnee beschloß sie, früh ins Institut zu fahren, bevor die Straßen zugeschneit waren.
Aus dem warmen Komfort seines gemieteten Mercedes beobachtete er, wie der Landrover mühelos über die dünne Schneedecke auf der Straße glitt und dann auf den Parkplatz neben dem New England Institute of Art History einbog.
Sie ist schon ein ganz besonderer Anblick, dachte er, während sie ausstieg. In den Stiefeln ungefähr ein Meter achtzig, schätzte er, zum größten Teil eingehüllt in einen stahlgrauen Mantel, der eher warm als modisch aussah. Ihre Haare waren leuchtend rot und ringelten sich unter einer schwarzen Skimütze
hervor. Sie trug einen dicken Aktenkoffer und bewegte sich präzise und zielstrebig.
Aber hinter diesem Gang verbarg sich die arrogante und unbeabsichtigte Attraktivität einer Frau, die glaubte, kein physisches Bedürfnis nach Männern zu haben.
Selbst in dem schwachen Licht erkannte er sie wieder. Sie ist eben eine Frau, dachte er lächelnd, die man nicht übersehen kann.
Er saß jetzt seit fast einer Stunde da und vertrieb sich die Zeit mit verschiedenen Arien aus Carmen, La Boheme und Die Hochzeit des Figaro. Er hatte alles, was er im Moment brauchte, und er hatte alles getan, was er tun mußte, aber er war dankbar, daß er lange genug ausgeharrt hatte, um sie ankommen zu sehen.
Eine Frühaufsteherin, dachte er, eine Frau, die ihre Arbeit so
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