Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
Aus dem Wohnzimmer drangen die getragenen Töne von Mozarts Requiem.
Wenn Miranda das hörte, konnte die Reise nicht gut verlaufen sein.
Miranda saß zusammengerollt in einem Sessel vor dem Feuer, eingewickelt in ihren Lieblingsmorgenmantel aus grauem Kaschmir, und trank Tee aus dem guten Porzellan ihrer Großmutter.
Also hatte sie ihr ganzes Trostrepertoire um sich versammelt.
»Du bist schon zurück?«
»Sieht so aus.« Sie musterte ihn. Er hatte bestimmt getrunken, aber seine Augen waren klar und seine Gesichtsfarbe normal. Zumindest war er also noch einigermaßen nüchtern.
Obwohl er gern etwas getrunken hätte, setzte er sich erst einmal ihr gegenüber. Es war offensichtlich, daß sie wütend war. Aber er kannte sie besser als jeder andere und sah auch ihre Traurigkeit. »Also, was ist los?«
»Sie hatte ein Projekt für mich.« Weil Miranda gehofft hatte, er käme nach Hause, bevor sie zu Bett ging, hatte sie gleich zwei Tassen geholt. Jetzt goß sie ihm einen Tee ein und tat so, als sähe sie nicht, daß Andrew vor Abscheu zusammenzuckte.
Sie wußte sehr wohl, daß er lieber einen Whiskey getrunken hätte.
»Ein unglaubliches Projekt«, fuhr Miranda fort und hielt ihm Untertasse und Tasse hin. »Im Keller der Villa der Donna Oscura ist eine Bronzeskulptur entdeckt worden. Kennst du die Geschichte des Hauses?«
»Hilf mir auf die Sprünge.«
»Giulietta Buonadoni.«
»Okay, jetzt weiß ich es wieder. Die Dunkle Lady, die Geliebte von einem der Medicis.«
»Lorenzo il Magnifico – zumindest war er ihr erster Beschützer«, erläuterte Miranda, dankbar dafür, daß Andrew
zumindest in Ansätzen Bescheid wußte. »Die Skulptur stellt die Dame selbst dar, das Gesicht ist unverkennbar. Ich sollte die Tests und die Datierung machen.«
Er schwieg. Dann sagte er: »Elise hätte das auch machen können.«
»Sie ist nicht so spezialisiert wie ich.« Leichter Ärger klang in Mirandas Tonfall durch. »Die Renaissance ist meine Zeit und Skulpturen sind mein Fachgebiet. Elizabeth wollte einfach den besten Spezialisten dafür haben.«
»Das will sie immer. Du hast also die Tests gemacht?«
»Ja. Wieder und wieder. Die besten Leute aus dem Unternehmen haben mich unterstützt. Aber ich habe alles persönlich durchgeführt, Schritt für Schritt. Dann habe ich wieder von vorn angefangen und die Tests noch einmal gemacht.«
»Und?«
»Sie ist echt, Andrew.« Die alte Erregung flackerte wieder auf, und Miranda beugte sich vor. »Spätes fünfzehntes Jahrhundert.«
»Das ist ja unglaublich! Wunderbar. Warum feierst du denn nicht?«
»Die Geschichte ist noch nicht zu Ende.« Sie holte tief Luft, um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. »Es ist ein Michelangelo.«
»Du meine Güte!« Hastig stellte Andrew seine Tasse ab. »Bist du sicher? Ich kann mich gar nicht an eine verlorengegangene Bronzeskulptur erinnern.«
Eine eigensinnige Falte bildete sich zwischen ihren Augenbrauen. »Ich verwette meinen Ruf darauf. Es ist ein frühes Werk, brillant ausgeführt – ein großartiges Stück, ähnlich dem sinnlichen Stil seines betrunkenen Bacchus. Als ich abreiste, war ich mit der Dokumentation noch nicht ganz durch, aber es gibt genug Beweise.«
»Die Skulptur ist nicht dokumentiert?«
Miranda wippte gereizt mit dem Fuß. »Giulietta hat sie wahrscheinlich versteckt oder sie zumindest für sich behalten. Politik. Es paßt«, beharrte sie. »Ich hätte es zweifellos bewiesen, wenn sie mir mehr Zeit gelassen hätte.«
»Und?«
Miranda stand auf und stocherte mit dem Feuerhaken im Kamin. »Jemand hat es an die Presse weitergegeben. Wir standen kurz vor der offiziellen Verkündung, und die Regierung ist nervös geworden. Sie haben Standjo entlassen und mich auch. Und sie hat mir vorgeworfen, ich hätte die Informationen weitergegeben.« Wütend drehte sie sich um. »Sie hat gesagt, ich sei so versessen auf den Ruhm gewesen, daß ich das ganze Projekt deswegen in Gefahr gebracht hätte. Das hätte ich niemals getan!«
»Nein, natürlich nicht.« Darüber brauchte Andrew gar nicht nachzudenken. »Sie haben sie hinausgeworfen.« Obwohl es kleinlich war, konnte er doch ein Grinsen nicht unterdrücken. »Ich wette, sie raste vor Wut.«
»Sie war außer sich. Unter anderen Umständen hätte ich vielleicht eine Befriedigung darin gefunden, aber ich habe dadurch das Projekt verloren. Und jetzt bekomme ich nicht nur keine wissenschaftliche Anerkennung dafür, sondern kann mir die Skulptur auch höchstens noch im
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