Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
seine Schultern, ließ sie mit sanftem Druck dort liegen, bis ich spürte, wie die Nervosität aus seinem Körper wich. Ich hatte schon mehrfach gehört, dass ich goldene Hände hätte; ich hatte zwar nie Massieren gelernt, hatte jedoch ein natürliches Talent dafür und zog selber tiefe Befriedigung daraus. Robert Junkarts jedenfalls gefiel es sehr. Anscheinend gehörte er zu den Menschen, die es fertig bringen, sich willentlich fallen zu lassen; nachdem er einmal den Entschluss gefasst hatte, auf das außergewöhnliche Angebot einzusteigen, war er auch voll dabei. Die warme Dunkelheit der Sommernacht, das Kerzenlicht, der reichliche Rotwein und meine kunstvolle Massage versetzten ihn schon bald in einen wohligen Dämmerzustand, in dem er bereit war, alles mit sich machen zu lassen.
Ich streichelte ihn von den Schultern bis zu den Zehen; von seinem Gesäß hielt ich mich jedoch ebenso fern wie von seinen Genitalien. Ich spürte die Gefahrenzone: Wenn ich mit der Hand nur in die Nähe kam, verspannte er sich sofort und ließ erst wieder locker, wenn ich mich entfernte.
Niemand sprach. Alec lehnte in seinem Sessel und nippte gelegentlich an dem Glas Wein, das auf einem Tischchen neben ihm stand. Er hatte sich einem Platz gewählt, an dem er uns beide gut sehen konnte, und seinen aufmerksamen Augen entging nichts.
Ich fragte mich, ob er auch den Duft spürte, der mir in die Nase stieg, den schweren Duft nach
Gardenia Rose,
der mit einem Mal im Raum schwebte. Der Duft rief unbestimmte Erinnerungen an meine Jugendzeit in mir wach, an verdunkelte Zimmer und glosende Räucherstäbchen und schwarze Seidenkleider, die vom Flohmarkt stammten und nach modrigen Kellern rochen.
„Geht es dir gut, Robert?“, flüsterte ich.
Er lag mit geschlossenen Augen da. „Ja, sehr gut“, antwortete er ebenso leise. „Aber das alles ist irre ... total irre. Ich kann nicht glauben, dass es mir wirklich passiert. Was macht ihr mit mir?“
„Wir machen dich glücklich.“
Er griff nach meiner Hand – es war das erste Mal, dass er mich in einer solchen Situation mit Absicht berührte –, zog sie an sich und presste erst die Wange, dann die Lippen darauf. In den Geruch von
Gardenia Rose
mischte sich ein anderer, zugleich abstoßend und prickelnd, der muffige Geruch von verrottetem Holz und Petroleum, wie ich ihn in meiner allerersten Nacht in Afrika auf dem Balkon des
Meridien Hotel
in Dakar gerochen hatte, und später noch einmal inmitten der verwitterten und von den gnadenlosen Sonne gebleichten Pracht der kolonialen Jugendstilvillen in St. Louis. Die Nacht um mich wurde so schwer und schwarz, wie es nur afrikanische Nächte fernab jeder Straßenbeleuchtung sein können – eine so absolute Schwärze, dass sie einem den Atem verlegt. Das Zimmer um mich herum bebte. Ich spürte die Energie, die der Mann neben mir ausstrahlte, eine dumpfe, geradezu rohe Kraft, die die leblosen Objekte im Raum in Schwingungen versetzte und meinen Körper mit einem Netz prickelnder Sensationen überzog. Er lag ganz still, aber die Kraft, die von ihm ausging, war mit Händen zu greifen.
Ich schob eine Hand unter seinen dicken Haarschopf und tastete nach den Narben, die eine glühende Zigarette auf seinem Genick hinterlassen hatte.
Er reagierte sofort. Sein Körper zog sich zusammen und streckte sich; sein Penis, der während des Zwischenspiels halb erschlafft war, versteifte sich wieder. Ich machte einen vorsichtigen Versuch, einen Schritt weiter zu gehen als bisher. „Ich spüre etwas an deinem Nacken, Robert. Eines, zwei ... nein, drei. Was ist das?“
Er musste mehrmals schlucken, ehe er mit einem heiseren Flüstern die Antwort zustande brachte. „Das sind Narben.“
„Woher hast du die? Was ist passiert?“
Ich war mir nicht sicher gewesen, wie er auf das Kreuzverhör reagieren würde, aber ich hatte instinktiv richtig getippt. Dass ihm bohrende Fragen gestellt wurden, war genau das I-Tüpfelchen, das ihm zu seinem vollkommenen Glück noch gefehlt hatte. Er seufzte leise.
„Sie haben mich verbrannt.“
„Wer? Womit?“
„Die beiden Kerle. Niks Kerle. Der Eine hielt mich am Haar fest und zog meinen Kopf herunter, und der Andere drückte seine Zigarette auf meinem Nacken aus.“
Durch das Bett unter mir lief ein Schauder, als sei es plötzlich lebendig geworden. Kleine Gegenstände klirrten gegeneinander. Roberts Körper war nicht mehr so cremig hell. Überall auf den Armen und Beinen, auf Rumpf und Gesäß begannen die purpurnen
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