Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
wirkte diese theaterhafte Vielfalt nicht unangenehm, sondern vielmehr pittoresk wie ein Maskenball. Ich machte eine Bemerkung darüber, dass sie so reizvoll bekleidet waren und die Toten hatten ihre Freude daran, sie lächelten mit blauen Lippen und nickten mir mit steifen Nacken zu, während sie geziert dahinschritten ....
Und doch war nichts Unheimliches an dieser Gesellschaft. Ich fühlte mich wohl in ihrer Mitte. Allmählich begann ich da und dort mit einer der Tänzerinnen – es waren hauptsächlich Frauen im Raum – ein paar Worte zu wechseln. Ein Mädchen klagte mir, sie frage sich, wann nun wohl das Jenseits beginne, sie sei nun schon seit einer Woche tot und habe noch nichts davon gesehen. Eine andere jammerte über die Kanalräumer, die ihr zuwider seien, und ich hielt ihr entgegen, die Männer machten ihre Arbeit doch nur, damit sie ein anständiges Begräbnis bekäme. Das schien sie zufriedenzustellen. Ich sprach mit einer älteren Frau, in deren Hals ein waagrechter Spalt klaffte, und noch anderen, an die ich mich später nicht mehr erinnerte.
Zuletzt muss ich mich wohl zum Gehen gewandt haben, denn ich versprach ihnen, ich würde bald wieder zu ihnen kommen. Ich blickte ihre schönen Kleider an und sagte zu ihnen: „Ich sehe, ich habe Sie vollkommen falsch eingeschätzt. Ich werde mich freuen, bald wiederzukommen.“
Sie nickten und lächelten mir zu, als ich ging ...
Pater Schilmer kam bereits am nächsten Tag und segnete den Keller sowie das übrige Haus. Kein Zwischenfall störte die heilige Handlung. Das einzig Auffällige war, dass die letzten Überreste des Pilzes, die da und dort noch an der Mauer oder dem erdigen Boden klebten, bei der Berührung mit dem Weihwasser zischend zerfielen. Sie verwandelten sich in einen feinen, völlig geruchlosen weißen Staub.
Weder erschienen die flammenden Augen, noch zeigte sich sonst ein Gespenst. Man konnte den Eindruck gewinnen, das Totenhaus hätte seine bösen Erinnerungen abgestreift und sei entschlossen, von nun an ein völlig normales Haus zu sein.
Dass dem wirklich so war, dessen war ich mir freilich nicht ganz sicher. Zweifellos hatte die Öffnung der verschütteten Küche, die Entfernung der Leichen und die Zerstörung des widerlichen Pilzes das Böse im Haus entscheidend geschwächt, aber ich war nicht überzeugt, dass es völlig vertrieben war. Ich hatte eher den Eindruck, dass es sich, erschreckt von all der Betriebsamkeit und den drastischen Veränderungen, in dunkle Winkel zurückgezogen hatte und dort darauf lauerte, dass die alten Verhältnisse wieder einkehrten und es in aller Ruhe sein hässliches Gesicht zeigen konnte.
Zwei Tage später bekamen wir Besuch.
Es war ein sehr heißer Tag gewesen, und da wir alle sechs den größten Teil des Tages verschlafen und kaum etwas gegessen hatten, setzten wir uns bei Sonnenuntergang zu einem ausgedehnten kalten Abendessen unter die Zypressen im Garten.
Wir waren bereits beim Nachtisch, als Robert plötzlich herausplatzte: „Ich glaube, ich muss euch etwas sagen. Aber lacht mich nicht aus.“
Alec zog die Augenbrauen hoch. „In diesem Haus finde ich nichts und niemanden mehr zum Lachen. Also, was war es?“
„Mir hat die Pyramide im Keller keine Ruhe gelassen. Gestern Nacht war mir zu heiß, um einzuschlafen, ich bin lange wach gelegen, und auf einmal dachte ich, ich muss einfach hinuntergehen und mir das merkwürdige Ding noch einmal ansehen. Das habe ich dann auch getan. Ich habe mir eine von den Stablampen mitgenommen und bin hinuntergegangen. Es war ein kurioses Gefühl, mitten in der Nacht durch dieses riesige schwarze Loch zu tappen, überall roch es nach Erde ...“
Wir hörten ihm neugierig zu. Zwar hatten wir alle beständig an die rätselhafte Pyramide gedacht, aber wir hatten alle einen starken Widerwillen dagegen empfunden, unseren Fund publik zu machen und irgendwelche Leute einzuladen, die uns hätten sagen können, worum es sich dabei handelte. Selbst untereinander hatten wir nur sehr wenig darüber gesprochen, fast, als sei das Thema tabu. Keiner von uns hätte sagen können, warum, aber wir alle fühlten, dass die Pyramide kein Thema für beiläufige Gespräche war, und auch kein Objekt, das wir der kalten und respektlosen Neugier von Historikern oder Kunstsachverständigen hätten ausliefern dürfen.
Robert fuhr fort: „Die Pyramide zog mich so sehr an, dass ich hinging, die Plache wegschob und beide Hände auf das Metall legte. Es fühlte sich warm an, beinahe
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