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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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großen roten Lettern: KADAVERHAUS. Da wusste ich, dass der Raum hinter dieser Türe das Leichenschauhaus war, in dem die Ertrunkenen aufbewahrt wurden.
    Ich trat ein und sah mich in einem verfallenen, ruinenhaften Raum mit einem grausigen Schauspiel konfrontiert. Trübes gelbliches Licht brannte. An einer Wand dieses Raumes, von dessen Mauern die gelbbraunen Kacheln in großen Stücken herabfielen, stand eine Wanne und davor kniete eine derbe alte Frau mit rotem Gesicht und fleischigen roten Armen, die aus aufgeschürzten Ärmeln hervorsahen. Sie war damit beschäftigt, den Leichnam eines Mannes zu waschen – eines blonden Mannes, dessen erstarrtes Gesicht lächelte. Ein weiterer männlicher Leichnam lag, nackt und tropfnass, mit dem Gesicht nach unten auf einem hölzernen Schragen.
    An einer mächtigen Säule aber, die das niedrige Gewölbe stützte, lag achtlos auf dem Fußboden hingeworfen ein Haufen nackter menschlicher Leiber, mit einer Beiläufigkeit beiseite geworfen, als wären sie selbst für diese Höhle des Unrats zu schlecht, wie in Spitälern chirurgischer Abfall – amputierte Glieder, Tumore, brandige Fleischreste – beiseite geworfen wird. Diese Trümmer des niedrigsten Unrats waren so gräulich missgestaltet und so eng ineinander verschlungen, dass sie mehr einem vielarmigen und vielbeinigen Oktopus ähnelten als menschlichen Körpern. Sie waren tot, kalt, verfärbt und tot und doch auf schauderhafte Weise lebendig. In diesem bereits faulenden Haufen lebte ein Bewusstsein, das meine Gegenwart wahrnahm und zwar auf eine äußerst bedrohliche Weise wahrnahm. Als ich an ihnen vorüberging, gerieten sie in zuckende Bewegung. Der ganze Haufen erbebte und begann sich zu winden und zu schlängeln wie ein Schlangennest. Arme stießen aus dem Fleischgeschlinge, streckten sich aus nach mir. Finger griffen und tasteten und suchten, mich zu ergreifen.
    Ich sprang beiseite und wich den Händen mit den Saugnäpfen aus, doch sie waren eindeutig mit Bewusstsein begabt, denn sie suchten augenblicks wieder nach mir. Ich trat dahin und dorthin, doch wohin ich auch auswich, sie schnellten begierig in diese Richtung und tappten nach mir ... und es schien mir, dass sie in obszöner Absicht nach mir langten, mich lüstern zu betappen versuchten. Ich klagte der alten Leichenwäscherin, dass sie mich zu berühren versuchten, doch sie lachte und antwortete mir: „Dass sie sich bewegen, das macht nur die Fäulnis.“
    Als ich mich umsah, war jedoch von dem Fleischhaufen keine Spur mehr zu sehen. Es war dunkler im Raum geworden, zwielichtig wie in der Abenddämmerung, kein Licht brannte mehr. Doch merkte ich, dass nun der ganze Raum voll von Menschen war, Männern und Frauen, und alle waren sie tot. Ihre Haut war bläulich verfärbt, sie bewegten sie hölzern in einem langsam schreitenden Tanz und wandten mir immer wieder blicklose Augen zu. Eine Frau kam dicht an mich heran und bot mir an sie zu küssen, und obwohl mir vor dem Leichenfleisch schauderte, tat ich es und küsste sie auf den Mund. Ich fühlte die steifen Lippen, fühlte das unbewegliche Fleisch der Wange und dachte, dass ich davor zurückgeschaudert wäre die Zunge in ihren Mund zu schieben, doch der Kuss auf die Lippen hatte mich seltsam berührt. Ich zögerte nicht mehr, als sie mir anbot, ihre nackten Brüste zu berühren. Ich umfasste eine Brust und fühlte und drückte sie. Auch die Brust war sehr kalt und von bläulicher Farbe, aber ganz weich. Nun war die Frau völlig nackt, sie schmiegte sich an mich und bot mir an auch den Rest ihres Körpers zu nehmen, aber vor dieser letzten Intimität wich ich doch wieder zögernd zurück. Dennoch war ich jetzt sehr erregt und genoss es, als auch die übrigen Tanzenden an mich anstreiften und mich berührten, scheinbar beiläufig, aber voll sinnlicher Verheißung berührten. Die dumpfe Luft im Raum schien schwer von unausgesprochenen Angeboten zu sein, jeder Schritt, jede Drehung, ja der Tanz selbst war ein Angebot, und ich fühlte sich hineingezogen und in Bewegung gehalten von dieser Menge der tanzenden Toten.
    Ich sah ganz deutlich, dass ich es mit einem
danse macabre
zu tun hatte, einer Versammlung von Leichen, denn ihre Gesichter waren verfärbt, ihre Züge starr, ihre Bewegungen hölzern. Ich sah, dass sie nicht mehr nackt waren wie zuvor, sondern mit den verschiedensten Kleidungsstücken bekleidet. Es sah aus, als hätte jeder und jede nach dem ersten besten gegriffen, das ihnen unter die Finger kam, doch

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