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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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geschnitzten Pfosten zu reinigen.
    Er erzählte mir von seinen betrügerischen Geschäften, und ich erfuhr eine merkwürdige Tatsache. Obwohl er clever und fleißig genug gewesen wäre, um auch auf ganz legale Weise eine Menge Geld zu machen, hatte es ihn getrieben, dieses Geld anderen aus der Tasche zu ziehen – und zwar nicht etwa jenen, die genug davon hatten, sondern den Armen. „Damals“, sagte er, „machte ich mir keine Gedanken darüber, warum ich das tat, aber später, als ich viel über mich nachgrübelte, wurde mir klar, dass ich es getan hatte, weil ich sie hasste. Sie waren das Bild dessen, was mein Vater einmal gewesen war, und was ich hätte sein müssen, wenn er nicht so hart und ehrgeizig gewesen wäre. Ich war schon in der Schule so. Ich war immer nur gut Freund mit denen, die stark waren und gute Chancen hatten. Wenn einer von ganz unten kam, dann habe ich ihm noch eins draufgegeben. Weißt du, was ich einmal getan habe, als einer dieser Habenichtse unbedingt von mir abschreiben wollte und keine Ruhe gab? Ich habe ihm vier falsche Lösungen diktiert.“ Er blickte mich über den Rand seiner Brille hinweg an, mit diesem merkwürdigen Ausdruck, den er immer in den Augen hatte, wenn er sich rücksichtslos seiner Qual und Schande aussetzte. „Ich war kein sympathischer Typ, was?“
    Da war ich ganz seiner Meinung, aber nachdem das alles Vergangenheit war und es keinen Sinn hatte, über verschüttete Milch zu jammern, sagte ich nur: „Du versuchst es wieder gutzumachen.“
    Er schüttelte heftig den Kopf. „Ich
kann
es nicht wieder gut machen, Charmion. Nicht einmal, wenn ich jedem von ihnen ihr Geld zurückgeben könnte. Ich kann ihnen die schlaflosen Nächte nicht wieder abnehmen, die Selbstvorwürfe, die Selbstverachtung, dass sie mir auf den Leim gegangen sind. Niemand kann irgendetwas wieder gut machen ... was in der Vergangenheit war, ist in Stein gemeißelt.“ Er tauchte den Arm tief in den Eimer mit heißem Wasser, zog den dampfenden Lappen heraus und wischte energisch um die staubigen Schnörkel herum. „Und eines kannst du mir glauben: An dem Tag, an dem mir bewusst wurde, dass Gott das alles von mir einfordern könnte, da hatte ich Angst. Wirkliche Angst.“
    Über seine religiöse Einstellung hatte er noch nie mit mir gesprochen, obwohl ich manchen Andeutungen entnommen hatte, dass da etwas war, und so fragte ich neugierig: „Wann war das?“
    „Als ich auf der Straße war. Im Busbahnhof wimmelte es von Missionaren aller Sorten, und sie bezahlten mir einen Kaffee oder ein Sandwich, wenn ich ihnen zuhörte und ihre Traktate las. Also habe ich zugehört und gelesen. Und nachdem ich den ganzen Tag nichts zu tun hatte als nachzugrübeln, ging mir einiges davon länger und intensiver im Kopf herum, als mir eigentlich lieb war. Ich habe nicht viel Fantasie, alle diese Visionen von Himmel und Hölle und Jüngstem Gericht wirkten nicht so richtig bei mir – ich konnte mir nichts Rechtes darunter vorstellen. Aber da war eine Geschichte, die mich nicht losließ ... von einem Angestellten, der seinem Chef eine Unsumme Geldes schuldig war und nicht zahlen konnte, und sich fragte, was sein Gläubiger jetzt mit ihm anfangen würde.“ Er lachte schuldbewusst. „Nun ja, das war eine Sprache, die ich verstand.“
    Ich lächelte ihn an. „Kann ich mir denken, dass das einem Buchhalter etwas sagt. Mir weniger – ich bin eine notorische Schuldnerin. Solange sie mir nicht gerade das Bett aus der Wohnung tragen, ist es mir eigentlich gleichgültig, wem ich wieviel schuldig bin.“
    „Mir nicht“, widersprach er lebhaft. „Meine Rechnungen habe ich immer pünktlich bezahlt. Mir war das unbehaglich, wenn ich offene Forderungen herumliegen hatte. So gnadenlos ich war, wenn ich Schulden eintrieb, so korrekt war ich auch, wenn es um meine eigenen Verpflichtungen ging. Und irgendwie ließ mich der Gedanke nicht los, dass ich da eine gewaltige Rechnung offen hatte, eine, die ich niemals würde bezahlen können. Mich hatte schon eine offene Telefonrechnung nervös gemacht, da kannst du dir vorstellen, wie nervös mich
das
erst machte. Jedenfalls fing ich irgendwann an, mit den Leuten darüber zu reden.“
    „Haben sie dir gesagt, du müsstest dich für Jesus entscheiden?“
    „Unter anderem auch, ja.“
    „Und? Hast du es getan?“
    Mein Freund dachte eine Weile über die Frage nach, während er sorgfältig den Staub aus den Ritzen der Schnitzerei schrubbte. Dann antwortete er: „Ich dachte darüber

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