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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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wie ein Pestwind, das drängende Zupfen an meiner Hand, der begierige Wille, uns auf den Dachboden zu führen, und der Widerstand des dunklen Wesens sprachen für sich. Unbestimmte Informationen drangen auf mich ein: Die Jahreszahl 1877, der altväterische Name Ferdinand Hugo Schwertsak, die Vorstellung eines kleinen Mädchens, das über einen Teller vergifteter Suppe hingestreckt lag. Ich erfuhr aber nicht, wer der Mörder war. Ihr Vater? Ein Onkel? Ein anderer Verwandter? – und warum er sie ermordet hatte. Die Verwendung von Gift passte eigentlich nicht zu einem Lustmörder. Oder hatte er sie vergiftet, damit sie nicht verraten konnte, was ihr Böses von ihm widerfahren war?
    Mathilde zerrte – soweit etwas so Körperloses zerren kann – an meiner Hand. Ich spürte einen Willen, der weitaus stärker war als die kaum vorhandene physische Kraft des kleinen Nebelbildes. Sie musste ein recht entschlossenes kleines Mädchen gewesen sein, wenn sie noch als Gespenst so viel Energie aufbrachte.
    Robert flüsterte: „Sie sind hinter uns ... viele von ihnen.“
    Er hatte recht. Außer den paar Gothics folgte uns eine Schar körperloser Geschöpfe, Männer, Frauen und Kinder. Sie gewannen selten genug Gestalt, um sich im trüben Flackerlicht der Kerzen zu manifestieren. Zumeist fühlten wir sie nur: Ein wirres Geschlängel von Körpern, die sich untereinander vermischten, zum Teil nur rudimentär ausgebildet waren, manchmal kaum sichtbar, manchmal beinahe opak. Wenn ich ihnen meine Aufmerksamkeit zuwandte, überschwemmte mich eine Flut halb gedachter Gedanken, ein schemenhaftes Durcheinander von Namen, Ereignissen, Jahreszahlen und Bildern. Einmal spürte ich Magda Gutzloffs Anwesenheit. Stärker als alle anderen, empfand ich sie als einen gelblichen Nebel, giftig wie Kampfgas, der unklare Assoziationen aussandte: Äther, Chloroform, die bedeckte Leiche eines Mannes, ein Raubnest voll Uhren, Halsketten, Eheringe. Ich sah die Leichenhalle im Keller vor mir, mit grauer Ölfarbe ausgemalt, nach üblen chemischen Dämpfen stinkend, vollgepackt mit kaltem Leichenfleisch. Dann wandelte sich das Bild neuerlich, und ich spürte einen Schatten in der Menge, den ich für Ricky Kossak hielt, und wieder einen anderen, hager, mit einer Nase wie eine Haifischflosse und vom Karbol verätztem Mund, der Joseph Schwertsak sein musste. Und dann, ganz plötzlich, flossen diese drei und noch andere zusammen, bildeten das entsetzliche Monstrum, das wir schon einmal im Zwielicht schwebend gesehen hatten, die Sieben, jene grauenvolle Zwitterkreatur aus verschiedenen Leibern und Seelen, die uns schon einmal so tödlich erschreckt hatte. Als sie sich manifestierte, sog sie den Schatten des Kindermörders mit auf. Ich spürte das dunkle, verrottete Herz der Verdammten pochen, und jeder Schlag ließ die Luft um uns erzittern, erschütterte das Holz der Treppe unter uns.
    Alec kämpfte sich Schritt für Schritt die steilen Stufen hinauf, das Kinn vorgeschoben, Kampflust in den großen blauen Augen. Er war entschlossen, sein Besitzrecht zu behaupten. Dieses Haus gehörte ihm, und kein Geist hatte hier etwas zu melden. Es sah beinahe komisch aus, wie er die Schattengestalt vor sich hertrieb; es erinnerte mich an eine japanische Zeichnung, auf der ein finster blickender Samurai mit geschwungenem Säbel auf einen Geist eindrang. Aber gleichzeitig wusste ich, dass es Alec bitter ernst war. Wer nach der formellen Verabschiedung noch hier im Haus herumlungern wollte, musste sich darauf gefasst machen, recht unfreundlich vor die Türe gesetzt zu werden. Schließlich hatten wir immer noch gute Beziehungen zu Pater Schilmer.
    Es dauerte lange, bis wir – eine seltsame Prozession im blakenden Schein der Kerzen – den gewitterdunklen obersten Flur erreicht hatten und zur Dachbodentüre hinaufstiegen. Diesmal, das fühlte ich sofort, würde der Speicher gestatten, dass wir ihn betraten. Wir fühlten auch keinerlei Widerstand, als wir die Türe aufschlossen und in den dumpfen dunklen Raum hineinleuchteten.
    Mathilde zog mich weiter. Ich musste über Querbalken klettern, durch die sie hindurchhuschte, aber sie lotste mich mühelos zu einem Winkel, wo die Dachschräge auf den Boden stieß. Dort hielt sie inne, und dann spürte ich ganz deutlich, wie sie in sich zusammensank, hinabglitt unter die alten staubigen Dielenbretter und dort verharrte.
    „Sie liegt hier!“, rief ich. „Habt ihr irgendein Werkzeug, mit dem man die Bodenbretter heben kann?“
    Es gab

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