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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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einiges Durcheinander, aber dann erschien Robert mit einem Spaten und setzte ihn an einem der Bretter an. Glücklicherweise waren sie alle wurmstichig, so dass wir es ohne Brecheisen schafften. Unter dem ersten kräftigen Ruck knirschte das Brett, Staub wölkte auf, und es zerbrach in der Mitte. Einer der schwarz gekleideten Jungen bückte sich und riss die beiden Teile aus ihrer Verankerung.
    Ein weiteres Brett krachte, dann ein drittes. Schließlich sahen wir, dass in der staubschwarzen Höhlung zwischen den Polsterhölzern und den Dielen etwas lag – ein formloser Packen aus sprödem braunem Tuch und vergilbtem Zeitungspapier. Von dem Gedanken berührt, dass Mathilde von niemand anderem angefasst werden wollte als von mir, kniete ich neben dem improvisierten Grab nieder und zupfte die Lagen von Papier und Stoff auseinander.
    Und nun sah ich sie vor mir liegen: Ein mumifiziertes, nacktes Körperchen, an dem noch das lange wergfarbene Haar hing, das Gesicht verrunzelt wie das eine Äffchens, die Augen klein wie Rosinen. Die Hände lagen auf den Schultern, als umarmte sie fröstelnd sich selber, die Knie waren angezogen und zur Seite gedreht.
    Alec warf einen Blick in die Grube, dann schlüpfte er aus seinem Sakko und reichte es mir. Mit Roberts Hilfe hob ich den kleinen Leichnam aus seinem trockenen Grab und hüllte ihn in die Jacke. Wir brauchten nichts zu besprechen. Uns allen war es selbstverständlich, dass wir diese armseligen Überreste nicht der amtlichen Neugier eines Kommissar Brandsteidl überantworten wollten. Wir trugen sie mit uns hinunter und legten sie in meinem Zimmer auf das Bett. Am nächsten Morgen würden wir sie begraben – im Garten des Hauses, in dem sie ihr kurzes Leben gelebt hatte.
    Die nächste Erscheinung war weitaus weniger liebenswürdig. Ich hatte schon gedacht, es würde bei den blauen Flämmchen bleiben, die ihre immaterielle Nahrung aus den Speisen und Geschenken saugten, als sich plötzlich etwas veränderte. Auf der Seite des Flurs, wo sich früher der Aufzug befunden hatte, bildete sich ein kleiner weißlicher Luftwirbel. Er strömte eine beklemmende Kälte aus, die immer deutlicher fühlbar wurde, als er wuchs und wuchs, eine wirbelnde Säule von Eis, bis er die Größe eines Menschen erreicht hatte. Wir saßen alle reglos da und starrten das Ding an, alle auf die Frage konzentriert, wer uns jetzt heimsuchen mochte. Die Dienstmädchen-Mörderin Amelie Schwertsak? Oder ein anderer der bösen Menschen, die in diesem Haus ihr Ende gefunden hatten?
    Aber was uns erschien, war das Gespenst einer Lebenden.
    Der rotierende Nebel streckte sich, nahm Form an. Sekunden lang erinnerte er mich an die kitschigen Marienstatuen, die im Dunkel leuchten, aber dann wurde die Gestalt eines jungen Mädchens erkennbar. Sie war schön, außergewöhnlich schön, mit klaren reinen Zügen in einem ovalen Gesicht, großen blauen Augen und langem blondem Haar, in dem ein feiner Stich Rot das väterliche Erbe verriet.
    Robert sprang mit einem erstickten Schrei auf und kümmerte sich nicht darum, dass er sein Weinglas umwarf und eine rote Lache sich im Tischtuch ausbreitete. Den Blick starr auf das Gespenst gerichtet, ächzte er: „Isabella!“
    Die Gestalt blickte ihn an, und nun sah ich kalten Marmor in ihren Zügen und Vitriol in ihren blauen Augen. Eine feine Hand hob sich aus den unbestimmten Falten ihrer Kleidung, hielt einen weißen, namenlosen Briefumschlag hoch, und dann griff eine zweite Hand zu und zerriss ihn in Schnipsel. Mit einer harten Gebärde warf sie die Schnipsel in die Luft, wo sie verschwanden. „Keine Chance, Daddy“, zischte sie. „So leicht wirst du mich nicht los.“
    Robert war noch völlig benommen von der plötzlichen Erscheinung, er stand da, mit einer Hand auf den Tischrand gestützt, und stammelte verwirrt: „Isabella, ich wollte dir verzeihen.“
    Die Gestalt – die jetzt wie aus trübem Eis gehauen wirkte – lachte. „Du verzeihst mir? Was hast du mir denn zu verzeihen? Frag lieber mich, was ich mit all dem Bösen anfangen soll, das du mir angetan hast!“
    Robert machte eine hilflose Bewegung der Abwehr. „Ich war glücklich, als du zur Welt kamst. Deine Mutter und ich, wir wollten ein Kind haben, und ich wollte ein Mädchen.“
    Isabellas halb durchsichtige Erscheinung waberte wie eine Flamme im Wind, aber ihre Augen glühten in höllischer Wut. „Du wolltest mich haben, ja! Aber was du wolltest, war eine Olympia, eine Kunstpuppe, die nur ‚Ja, ja, Daddy, ich

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