Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
offensichtlich vorgeschobene Strohmänner – mit scharfen Worten und unwiderlegbaren Argumenten.
Ich suchte mir die Homepage der San-Sebastian-Seminare heraus und stellte fest, das Nik Dubassy aussah, wie ich ihn mir vorgestellt hatte: ein adretter, viriler Yuppie, anziehend, intelligent und charmant, genauso, wie es der Serienmörder Ted Bundy auch gewesen war. Er schien zwar ausgezeichnete Profite zu machen, aber offensichtlich war sein Schwiegervater geschäftsschädigend genug, dass er sich mit dessen Angriffen öffentlich auseinandersetzen musste. Seine Verteidigung war simpel: Er behauptete, der Mann sei übergeschnappt, nachdem er „unter ungeklärten Umständen“ erst verschleppt worden und dann freiwillig untergetaucht war. Er ließ durchblicken, dass Robert Junkarts in diesem Jahr, das eine
terra incognita
in seinem Lebenslauf darstellte, dunkle und abwegige Dinge getrieben hätte, deren trauriges Ergebnis man jetzt sähe: Verfolgungswahn und irrationalen, krankhaften Hass gegen seine Familie und seine früheren Freunde. Er appellierte immer wieder mit heimtückischer Freundlichkeit an seinen Schwiegervater, dieser möge sich einsichtig zeigen, seinen Zustand erkennen und ärztliche Hilfe suchen, anstatt wie Don Quichotte immer neue Attacken gegen Windmühlen zu reiten. Junkarts‘ Antworten trieften von Sarkasmus. Aber er ging mit keinem Wort darauf ein, was in diesen furchtbaren vierzehn Tagen mit ihm geschehen war, und er schwieg auch eisern über das Jahr danach.
Ich neige zu lebhaften Träumen, und so war es kein Wunder, dass mich das Haus in der Larabaya-Straße in dieser Nacht im Schlaf besuchte. Oder war es gar nicht das Haus, wovon ich träumte?
Es begann jedenfalls damit, dass ich in den Keller hinunterstieg, aber ich fand ihn nicht so vor, wie ich ihn am Nachmittag gesehen hatte. Das Phänomen einer geradezu Lovecraft‘schen Verwinkelung war im Traum noch viel schärfer ausgeprägt als in Wirklichkeit. Boden, Wände und Decke waren auf eine unbeschreibliche Weise gekippt und verkantet, so dass ich nicht einmal sagen konnte, ob ich aufrecht über den Boden ging oder wie eine Fliege verkehrt an der Decke entlangkroch. Ein bleiernes Zwielicht und eine dumpfe, unheilschwangere Stille herrschten darin. In der Luft hing ein schaler medizinischer Geruch. Ich fühlte mich von vielen Menschen umgeben, die mich lauernd umdrängten, aber sehen konnte ich nur einen, nämlich unseren rothaarigen Mieter.
Er stand ungefähr an der Stelle der Mauer, an der ich das Mausloch entdeckt hatte, und er war gleichzeitig Robert Junkarts und San Sebastian: Er stand nackt da, die Hände mit einem groben Strick hinter dem Rücken zusammengebunden, und überall in seinem Leib steckten spitze Pfeile tief in blutenden Wunden.
Ich konnte jedes kleinste Detail seines entblößten Körpers deutlich erkennen, sogar ein daumennagelgroßes, olivbraunes Leberfleckchen auf der linken Hüfte.
Als ich einen roten Fleck zwischen seinen Füßen gewahrte, dachte ich erst, es sei Blut, das heruntergetropft war. Aber dann wuchs der Fleck, und ich erkannte, dass es ein kirschrotes Licht war, das aus einer Ritze im Fußboden drang. Es leuchtete nicht in einem Strahl heraus, sondern drehte sich in einer langsam anschwellenden Spirale, wie Wasser in einen Abfluss strudelt, nur eben in der umgekehrten Richtung. Dann wuchs das Licht zu einer Feuersäule an, die den nackten Männerkörper verschlang, aber weiter und weiter an Größe zunahm, bis sie die schief hängende Decke erreichte und sie durchdrang. Es sah aus, als stünde der Mann auf einem brennenden Scheiterhaufen. Aber das Feuer schwärzte und verbrannte ihn nicht. Er wurde nur immer heller und durchsichtiger, wie ein Stück Metall, wenn es glutflüssig wird, und in diesem Prozess der Verwandlung nahmen sein Körper und sein Gesicht eine überirdische Schönheit an, die mir den Atem verschlug.
Dann erlosch das glühende Licht, und mit ihm verschwand auch der Traum.
Die Bewohner des Hauses
Ein Haus zu kaufen war auch für einen Mann von Alec Marholds Vermögensverhältnissen eine schwerwiegende Entscheidung, und ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass ich ihn dabei beeinflusste. Seine Kinder betrachteten unsere späte Liebe ohnehin mit Misstrauen und machten ihm öfter Vorhaltungen deswegen. Sie hielten mich für eine windige Existenz, die sich mit dunklen Absichten an ihren reichen Adoptivvater heftete und zunehmend ein Mitspracherecht in seinem Leben gewann, und obwohl
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