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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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hoch. Sie sah harmlos genug aus. Aber mein Gefühl verriet mir, dass sich hinter dieser Türe kein leerer Raum erstreckte. Oder besser, kein
unbewohnter
Raum. Irgendetwas schien sich dort drin zu bewegen, auch wenn es gewiss kein Mensch und kein Tier war. Ich hatte die unbestimmte Vorstellung eines mannshohen Wirbelwinds, der sich in lautloser Feierlichkeit durch den Dachboden drehte, sehr ähnlich einem Planeten auf seiner Bahn.
    Unwillkürlich machte ich einen Schritt vorwärts, aber als ich den Fuß auf die erste hölzerne Treppenstufe setzen wollte – die hier nicht mehr mit dem grünen Teppich belegt war –, wurde mir klar, dass diese Türe tabu war. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Um nichts in der Welt hätte ich diese Stufe betreten könnten. Es war nicht Angst, was mich zurückhielt. Es war einfach eine schiere Unmöglichkeit. Genauso gut hätte ich versuchen können, frontal durch eine Betonmauer zu marschieren.
    Ich zog mich zurück.
    Nun war ich von Natur aus enorm neugierig, und eine verschlossene Türe genügte, um sofort alle meine Kräfte in Bewegung zu setzen; ich konnte nicht rasten und ruhen, bis ich nicht wusste, was sich dahinter befand, selbst wenn mir vor Schrecken das Herz stehenbleiben sollte. Diese Türe jedoch erweckte keine solchen Gelüste in mir. Ich konnte schwer sagen, warum nicht. Vielleicht, weil ich ja auch keine Versuche machte, in den Nachthimmel zu klettern und die Sterne zu pflücken. Was jenseits dieser Türe lag, war unzugänglich wie das All. Einen Moment erschien es mir sogar, dass am Ende der Treppe das Weltall begann. Nicht etwa die Atmosphäre, sondern die Weite jenseits der Stratosphäre, das leere, onyxschwarze, gleißende All, und dass der nächste feste Gegenstand hinter dieser Türe ein Stern in Millionen Lichtjahren Entfernung war. Es machte mich schwindlig, daran zu denken.
    Verwirrt wandte ich der blauen Metalltüre den Rücken und kehrte in die tiefer liegenden Stockwerke zurück.
    Während ich die Treppen vom Dach ins Erdgeschoss hinunterstieg, fühlte ich ganz deutlich, dass das Haus in Zonen unterteilt war. Jedermann, der sich mit Spuk beschäftigt, kennt das Phänomen der „kalten Stellen“, die eine metaphysische Aktivität verraten. Hier waren sie unmissverständlich zu fühlen. Oben vor der Dachbodentüre hatte ich den zwingenden Eindruck gehabt, dass ich mich in einer „heißen“ Zone befand, an einem Ort, an dem starke, vielleicht beängstigende, aber grundsätzlich positive Kräfte wirkten. Im zweiten Stock war das Klima gemäßigt, weder sonderlich warm noch kalt. Im ersten Stock war es subtropisch; ich fühlte mich sehr wohl dort und merkte, wie freundliche und angenehme Gedanken in mir aufstiegen. Wie die Bilder eines Kaleidoskops sah ich rotblühende Bougainvillea vor mir, die geschlossenen blassgrünen Läden eines afrikanischen Hauses, in dem ich einmal gewohnt hatte, eine Tonschale voll getrockneter Rosen, blaue Clematis am Balkon einer verwitterten Villa. Das Gefühl, durch Licht und Wärme zu wandern, war so intensiv, dass ich mit klopfendem Herzen stehen blieb und es genoss.
    Ebenso war es in der Diele unten, wo ich vor allem den Eindruck gewann, dass ich mich inmitten vieler frisch geschnittener Blumen befand. Es duftete kühl und süß wie in einem Blumenladen. Dann ging ich an Robert Junkarts‘ Zimmer vorbei, und dort war es
heiß
– aber wie heiß! Ich blieb stehen, so abrupt, als wäre ich in den Luftstrom einer Heizung getreten. Hier, an einem Punkt, der etwas rechts von der architektonischen Mitte des Hauses liegen musste, schien eine Säule von flirrender Hitze aus dem Boden aufzusteigen. Die Bilder, die durch meinen Kopf jagten, waren so angenehm wie jene im ersten Stock, aber sie waren zugleich dunkler, glühender, voll sexueller Anspielungen; ich musste an die starken, tintenschwarzen Frauen denken, die ich in Afrika gesehen hatte, an sonnenverbrannte Häuser und den Dunst samtschwarzer Nächte mit faustgroßen Sternen; an die verfallenden und faulenden Jugendstilvillen in St. Louis und den dunkelbraunen, goldglänzenden Senegal-Fluss, der an ihnen vorbeiströmte. Der lustigste dieser Gedanken war die Erinnerung an ein Trüppchen nackter schwarzer Kinder, die auf einem Bündel Taue am Flussufer herumsprangen und dort „Orchester“ spielten, wobei sie alle möglichen Instrumente in der leeren Luft nachahmten. Ich musste lächeln, als ich daran dachte.
    Wie alle besseren Leute hatte ich meine Psychotherapie hinter mir,

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