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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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rotierendem Blaulicht doch dazu angetan sei, die Nachbarn aus dem Schlaf zu reißen. Ob sich denn nie jemand über den Spuk beschwert hätte?
    Wolfram Hartmann schüttelte mit einem leisen Lächeln den Kopf. „Nein. Sehen Sie, das war das Eigenartige. Man sah und hörte es
immer nur drinnen im Haus
. Anfangs bin ich mehrmals aus dem Bett gesprungen und habe zum Fenster hinausgesehen, habe die Eingangstüre aufgesperrt und bin sogar zum Gartentor hinausgelaufen, aber dort war alles pechschwarze Nacht und tiefe Stille. Es war, als wären die Fenster eine Filmleinwand.“
    Er fuhr fort, über die Spukerscheinungen zu reden, und ich entdeckte, dass er sich sehr intensiv damit auseinandergesetzt hatte. Vielleicht hing es mit seinem Beruf zusammen, dass das spukhafte Treiben ihn so interessiert hatte. Die Erscheinungen, erklärte er mir, seien wie ein Palimpsest, man müsste sie fachgerecht entziffern, um einen Sinn darin zu finden. „Es geschah so viel, aus allen möglichen Epochen, es waren Schatten der verschiedensten Ereignisse, so dass ich lange gebraucht habe, bis ich auch nur einigermaßen wusste, was zusammengehört. Es war, als würden in einem Theater Szenen aus den unterschiedlichsten Stücken zu gleicher Zeit auf derselben Bühne gespielt. Ich musste richtiggehend Buch führen, bis ich zumindest ein paar identifizieren konnte.“
    „Und der Grund für all den Spuk? Haben Sie den jemals herausgefunden?“
    Er schüttelte den Kopf. Nein, da war nichts zu finden gewesen. Es war schon immer so gegangen, seit mehr als hundert Jahren schon. Im Bezirksmuseum hatte er einmal ein Heftchen gesehen, in dem eine Mieterin vom Anfang des Jahrhunderts von Spukerscheinungen berichtete, aber es reichte noch weiter zurück. Das Haus hatte schon „das Totenhaus“ geheißen, als es noch ganz neu gewesen war. Die Schwertsaks, die es erbauen ließen, hatten viel Unglück gehabt, viele Todesfälle in kurzer Zeit, es waren ihnen auch alles schief gegangen, nachdem sie eingezogen waren. Aber warum und wieso, dazu konnte er mir nichts sagen. Er konnte mir nur eindringlich raten, mir ein anderes Domizil zu suchen.
    „Sie werden dort nie glücklich werden“, warnte er mich. „Es ist ein Unglückshaus. Bleiben Sie weg davon.“
    Ich dankte ihm für seine Auskünfte und versprach seinen Rat zu beherzigen, obwohl ich wusste, dass ich dieses Versprechen nicht würde halten können.
    Ich war metaphysischen Manifestationen gegenüber längst nicht so abgeklärt wie der Ex-Bestatter, ich hatte sogar eine Heidenangst davor, und wäre es irgendein anderes Haus gewesen, so hätte ich Alec allein dort wohnen lassen. Aber hier gelang es mir nicht. Wie eine unwiderstehliche Welle überschwemmte mich von neuem das Gefühl, dass das Totenhaus mein einziges, mein wahres Zuhause war, dass ich immer schon dort gelebt hatte und immer dort leben würde. Es erfüllte mich mit Erinnerungen, die alle nicht wahr sein konnten und sich doch alle ungemein tröstlich anfühlten.
    Das Merkwürdige war, dass ich mein ganzes Leben lang geträumt hatte, ich sei auf der Suche nach meiner wirklichen Wohnung, obwohl ich seit fast zwanzig Jahren an derselben Adresse wohnte und mich dort sehr gut eingelebt hatte. In meinen Träumen fand ich Kontoauszüge mit Mietzahlungen an eine fremde Adresse in meinem Schreibtisch, oder ich entdeckte einen Schlüsselbund in meiner Tasche, von dem ich nicht wusste, welche Türen er aufschließen sollte. Manchmal betrat ich diese Traum-Wohnung tatsächlich, musste aber feststellen, dass fremde Menschen sie mit einer Unzahl von hässlichen Möbeln und kitschigen Nippsachen angefüllt hatten, oder dass die Wände purpurn und orange gestrichen waren, oder auch, dass die gesamte Wohnung entweder klein wie ein Klosett oder riesenhaft wie ein Flugzeug-Hangar war. So oft ich sie auch in meinen Träumen fand, so entglitt sie mir doch immer wieder.
    Nun hatte ich sie endgültig gefunden, und sie war nicht der missratene Ort meiner Träume, sondern ein Ort, an dem es sich auch in der Realität leben ließ. Ich spürte, wie dieses Haus mich zog; spürte, dass es etwas von mir wollte – dass es mich brauchte. Niemand kann seinem Schicksal entgehen. Mir blieb keine andere Wahl, als dort hinzuziehen, egal, welche Schrecken mich hinter der Türe mit den Rautengläsern erwarteten.
Villa Maunaloa
    Am 20. März unterschrieb Dr. Alec Marhold den Kaufvertrag, und da er ein energischer und tatkräftiger Mann war, verlor er keine Zeit, mit der

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