Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
kolportiert werden.“
„Wolfram Hartmann hat keine Gerüchte gehört, sondern die Phänomene selbst gesehen. Du kannst ihn ja fragen.“
„Wenn ich den ganzen Tag mit Leichen zu tun hätte, würde ich nachts wahrscheinlich auch Gespenster sehen.“
„Im Gegenteil, da sollte man doch meinen, er wäre gegen das Gruseln abgehärtet!“
Alec ignorierte den Einwand und begann verdächtig schnell und viel über die Einzelheiten der Renovierung zu plaudern. Es war offenkundig, dass er keine Lust hatte, über die merkwürdigen Züge seines Traumhauses mit mir zu sprechen. Vielleicht hatte er Angst, ich würde es mir im letzten Augenblick überlegen und doch nicht dort einziehen.
Um ihn zu beruhigen, kam ich auf die Möbel zu sprechen, die ich in mein Zimmer hineinstellen wollte, und die verschiedenen Schwierigkeiten des Kaufes und des Transports. Ich hatte recht gehabt mit meiner Vermutung. Mein Freund lebte sichtlich auf, als er hörte, dass ich fest zum Einzug entschlossen war. Er überschüttete mich augenblicklich mit Vorschlägen, wo wir uns nach Möbeln umsehen konnten – ich wollte meine derzeitige Wohnung möglichst unangetastet lassen – und wie wir alles einrichten wollten.
Erst, nachdem wir zwei geschlagene Stunden aufs angenehmste mit solchen Gesprächen verbracht hatten, wagte ich mich wieder an das heikle Thema jenseitiger Manifestationen heran. „Alec, was hältst du davon, wenn wir das Haus von einem Priester segnen lassen, bevor wir einziehen?“
Sofort sah er mich mit gerunzelter Stirne an. „Um Gottes Willen, du wirst doch keinen Exorzismus abhalten wollen? Bei solchem Humbug mache ich nicht mit!“
„Nein, keine Rede davon. Nur ein ganz gewöhnlicher Segen, wie er unter frommen Leuten üblich ist. Ich finde, das ist ein schöner Brauch, wenn man irgendwo einzieht. Vor allem, wenn man so große Hoffnungen hat wie wir beide, dort glücklich zu werden.“
Er ließ sich aber nicht täuschen. „Gib‘s zu, Charmion, du hoffst, dass dann Dutzende Phantome zum Kamin hinausfahren.“
„Es kostet doch nichts. Und ich würde mich wohler fühlen.“
„Gut, wenn es dir so wichtig ist“, gab er nach. „Bevor wir einziehen, lassen wir einen Priester kommen. Besorgst du einen, oder soll ich das tun?“
„Das mache ich schon.“ Keiner von uns beiden war katholisch, daher kannten wir auch keine Geistlichen dieser Konfession, aber ich war zu dem Schluss gekommen, dass ein Priester die Aufgabe, die Villa zu reinigen, effizienter wahrnehmen würde als ein Pastor. Kein Zweifel, dass dabei auch ein gewisser Aberglaube mitspielte. Ein Pastor mochte ein Gebet sprechen, aber ein Priester würde seine Stola mitbringen und seinen Weihwasserwedel und seinen Segen auf Lateinisch rezitieren, und das alles machte nun einmal viel mehr Eindruck. Auch auf die Geister, wie ich hoffte.
Dass ich das Haus eine Weile nicht sah, hieß nämlich keineswegs, dass ich mich nicht damit beschäftigte.
Oder sollte ich sagen: Das Haus beschäftigte sich mit mir?
Ich erzählte Alec nichts davon, weil er mir in seiner derzeitigen super-rationalen Stimmung nur wieder vorgeworfen hätte, dass ich Romane und Wirklichkeit nicht auseinanderhalten könnte, aber ich meinte auf Schritt und Tritt Hinweise darauf zu finden, dass zwischen dem Haus und mir ein geheimnisvoller Rapport bestand. Einmal in dieser Zeit träumte ich, dass ich hinfuhr, um mir die Baustelle zu besichtigen, und es vollkommen nackt und leer fand, von all den hässlichen Möbeln entblößt. Ich wanderte von Zimmer zu Zimmer und betrat eines, an dessen Wänden noch die schokoladenbraune Tapete klebte. Da begann diese Tapete plötzlich aus sich heraus zu brennen, und eine Flammenschrift formte das Wort HILFE. Ein andermal träumte ich, dass in einem leeren Zimmer sieben Stühle standen – nichts weiter als sieben einfache hölzerne Stühle, aber wie es oft im Traum ist, erfüllte mich der Anblick mit einem solchen Grauen, dass ich keuchend aus dem Schlaf hochfuhr. Überhaupt beschäftigte sich mein Unterbewusstsein in einem fort mit der Zahl 7. Auf einmal entdeckte ich überall in der Stadt diese Zahl, oder zu Siebener-Gruppen angeordnete Gegenstände fielen mir ins Auge, von Popcorn-Packungen in einem Supermarkt angefangen bis zu steinernen Vögeln auf einer Mauerkrone. Gleichzeitig wurde mir immer bewusster, dass mit der 7 weder Popcorn noch Zierfiguren gemeint waren, sondern Personen. Sieben Personen, die in einer ganz entscheidenden Weise mit dem Haus in der
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