Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
musste hinter der spaltbreit offenen Türe seines Zimmers gelauert haben, denn er trat so plötzlich in den Flur, dass ich heftig erschrak. Er bemerkte es, streckte beschwichtigend eine Hand aus und lächelte mich auf eine Weise an, dass mein Ärger verflog.
„Schon gut“, stammelte ich, als er sich beflissen für den Zusammenstoß entschuldigte.
Er fuhr rasch fort: „Wollen Sie einen Schluck auf Ihr neues Heim mit uns trinken? Terry, Elena und Coco sind auch da.“
So viel Freundlichkeit hatte ich nicht erwartet, aber da Alec nickte, nickte ich auch.
In dem unordentlichen, von Zwielicht erhellten Raum mit den stets geschlossenen Jalousien saßen die beiden Schwarzen auf dem Boden und auf einem Klapphocker ein sehr hübsches, etwas molliges Mädchen, das kaum neunzehn Jahre alt sein konnte. Sie hatte große braune Augen, die in auffälligem Kontrast zu ihrem reichen weizenblonden Haar standen, und einen großen, dunkelrot geschminkten Mund. Ihr Blick war mehr seelenvoll als intelligent, und ich nahm an, dass Alec recht gehabt hatte mit seiner Bemerkung, sie sei nicht übermäßig helle. Tiberius lag auf ihrem Schoß und ließ sich den Bauch kraulen.
Alle vier Mieter bemühten sich merklich, ihre bis dahin so abweisende Haltung zu mildern. Junkarts entfernte Bücher und Mappen von einer Couch, auf der er uns Platz anbot, dann schenkte er uns jedem ein Glas Wein ein – wobei wir jeder ein anderes Glas bekamen, vom Wasserglas bis zur Sektflöte – und hob sein Glas auf unser Glück und Wohlergehen in Nummer 12 A. Die jungen Leute taten es ihm gleich. Coco lächelte mich sogar an. Trotzdem spürte ich die Spannung, die über der gesamten Szene lag. Ich hatte den Verdacht, dass unser plötzlich so freundlicher Gastgeber irgendetwas ganz anderes vorhatte, als uns Glück für die Zukunft zu wünschen. Also trank ich schluckweise den billigen gelben Wein und wartete, was nachkommen würde.
Es dauerte auch nicht lange.
Junkarts hatte sich auf den Drehstuhl vor seinem Computer gesetzt und schwang lässig hin und her, während er Alec zu seinen Renovierungsarbeiten gratulierte. Dann bemerkte er plötzlich: „Hat man Ihnen schon gesagt, dass es in diesem Haus spukt?“
Alec verdrehte die Augen, als wollte er sagen: Nein, nicht schon wieder! Ich wusste, dass er keine Freude mit mir haben würde, wenn ich den Mann noch ermutigte. Trotzdem konnte ich mich nicht enthalten, neugierig zu fragen: „Haben Sie tatsächlich schon einmal etwas gesehen?“
Die drei Jüngeren nickten unisono. Junkarts, der eindeutig der Wortführer war, erklärte: „Wir alle hier haben merkwürdige Dinge erlebt. Dieses Haus ist kein gewöhnliches Haus. Es ist ... lebendig. Wir können seine Gedanken sehen.“
„Ich habe sie auch gesehen“, kommentierte ich, auf die Gefahr hin, dass Alec nachher auf mich wütend war.
Robert Junkarts äugte mich neugierig über den Rand seiner Brille hinweg an. Er sah irgendwie witzig aus, wenn er das tat, wie eine Figur aus einem alten Film – einem dieser Filme mit Heinz Rühmann oder Eddie Arent. Ich merkte aber rasch, dass sich hinter der possierlichen Geste scharfe Aufmerksamkeit und ein gewisses Misstrauen verbargen. Er fragte: „Sind Sie ... psychisch, wie man so sagt?“
„Ja, sehr. Ich habe Vorahnungen, und ich bin zuweilen sehr sensitiv, was Häuser und Menschen angeht. Von beidem gibt es Exemplare, die ich nicht aushalten kann. Wenn das hier ein
böses
Haus wäre, hätte ich es wohl gar nicht betreten können. Aber es ist, wie Sie das formulierten, ein sehr lebendiges Haus. Es scheint einen eigenen Willen und eine Persönlichkeit zu besitzen.“
Er sah mich mit einem Blick an, in dessen Erstaunen sich Bewunderung mischte. „Sie müssen sehr einfühlsam sein, dass Sie das erkennen ... Sie sind Schriftstellerin, habe ich gehört.“
„Ja, aber glauben Sie nicht, dass ich jemals den Nobelpreis für Literatur bekommen werde. Ich schreibe Schauerromane. – Erzählen Sie mir, was Sie gesehen haben.“
Daraufhin legten sie alle zugleich los. Ich hörte, dass die Frau in der Schwesterntracht, die ich gesehen hatte, eine häufige Erscheinung war, so häufig, dass sie ihr sogar einen Namen verpasst hatten: „Schwester Magda“. Außerdem war da noch die Party im oberen Stockwerk, bei der es so ausgelassen lustig zuging, sowie ein viel älteres festliches Ereignis, bei dem Personen, die schattenhafte Ballkleidung trugen, gemessenen Schrittes die Treppe herunterkamen. Immer wieder spielte sich
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